Ökonomie vs. Tierschutz – Tierschutz im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Nutzenkalkül und Leistbarkeit
Abstract
Keywords
Rechtsgut Tierschutz, Staatszielbestimmung, ökonomische Interessen, wirtschaftsbezogene Grund-rechte, Güterabwägung, Verhältnismäßigkeit
Empfohlene Zitierweise:
Binder, Regina und Grimm, Herwig (2024). Ökonomie vs. Tierschutz – Tierschutz im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Nutzenkalkül und Leistbarkeit. Journal of Animal Law, Ethics and One Health (LEOH), 35-76. DOI: 10.58590/leoh.2024.004
* Dr. iur. Dr. phil. Regina Binder, Tierschutz- & Veterinärrecht, Zentrum für Tierernährung und Tierschutzwissenschaften, Klinisches Department für Nutztiere und Sicherheit von Lebensmittelsystemen, Veterinärmedizinische Universität Wien, Veterinärplatz 1, 1210 Wien
** Univ.-Prof. Hon.-Prof. Dr. Herwig Grimm, Messerli Forschungsinstitut, Veterinärmedizinische Universität Wien, Medizinische Universität Wien und Universität Wien, Veterinärplatz 1, 1210 Wien
Inhaltsverzeichnis
- I. Eckpunkte im Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Tierschutz
- II. Abwägung zwischen Interessen des Tierschutzes und der Ökonomie – Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
- III. Zum Stellenwert des Tierschutzes in der Rechtsordnung
- IV. Rolle und Bedeutung wirtschaftlicher Interessen im Tierschutzrecht
- 1. Sekundärrecht der Europäischen Union (Beispiele)
- 2. Relevante Grundrechte
- a) Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG; Art. 17 GRC)
- b) Erwerbsfreiheit (Art. 6 StGG; Art. 15f GRC)
- c) Wissenschaftsfreiheit (Art. 17 StGG; Art. 13 GRC)
- 3. Österreichisches Tierschutzrecht
- V. Rolle und Bedeutung wirtschaftlicher Interessen in der Rechtsprechung zur Tierschutzgesetzgebung
- 1. Österreich
- a) Verbot der Haltung und Ausstellung von Hunden und Katzen in gewerblichen Einrichtungen
- b) Verbot der Haltung und Heranziehung von Wildtieren in Zirkussen
- c) Generelles Verbot elektrischer Dressurgeräte
- d) Beschränkung des Einsatzes von Fiakerpferden
- 2. Deutschland
- VI. Typische Interessenkonflikte – Fallbeispiele aus Bereichen der Haltung von Heim-, Nutz- und Versuchstieren
- 1. Tötung als kostengünstige Alternative zu therapeutischen Maßnahmen oder zu Aufzucht und Haltung
- 2. Kostenminimierung im Rahmen der Haltung und Nutzung von Tieren
- VII. Résumé.
- VIII. Zusammenfassung
- IX. Literaturverzeichnis
- X. Materialien und Internetquellen
- XI. Rechtsgrundlagen
- XII. Abkürzungen.
I. Eckpunkte im Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Tierschutz
Ökonomische Interessen und das Anliegen des Tierschutzes stehen in einem vielschichtigen Spannungsverhältnis, das zwar immer wieder angesprochen, aber nur selten[1] analytisch betrachtet wurde. Zwar ist hinlänglich bekannt, dass dieses Spannungsverhältnis durch eine dem Prinzip der Kostenwahrheit entsprechende Erfassung der direkten und indirekten Vorteile, die durch Investitionen zugunsten des Tierschutzes erzielt werden können (z.B. Produkt- und Forschungsqualität; Erhöhung der Akzeptanz der jeweiligen Tiernutzung durch die Öffentlichkeit), relativiert wird, doch steht deren monetäre Bewertung bislang aus. Entsprechend werden hier zwei Güter unterschiedlicher Währungen ins Verhältnis gesetzt. Dieses inhärente Spannungsverhältnis besteht zwar auch in der Haltung von Heimtieren durch Privatpersonen, betrifft aber naturgemäß vor allem die erwerbswirtschaftliche Haltung und Nutzung von Tieren, die auf die Erzielung von Einkünften bzw. auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist (z.B. in landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betrieben und Forschungseinrichtungen).
Bei landwirtschaftlichen Nutztieren handelt es sich um Tiere, die ex lege u.a. zur Gewinnung tierischer Erzeugnisse (z.B. Nahrungsmittel, Wolle, Häute, Felle, Leder) vorgesehen sind[2] und somit einer Zweckwidmung unterliegen, die i.d.R. ihre Tötung voraussetzt. Aufgrund dieser funktionellen Definition sind Nutztiere zunächst Betriebsmittel, die jedoch nicht als solche behandelt werden dürfen, da sie durch „besondere Gesetze“ geschützt werden.[3] Somit dienen Nutztiere zwar definitionsgemäß der Erzielung von Einkünften, doch gelten für sie grds. alle Ge- und Verbotsnormen des Tierschutzrechts. (Tier-schutz-)Gesetzgebung und Vollziehung haben die Aufgabe, einen Ausgleich zwischen den Interessen des Tierschutzes und den berechtigten Interessen der Tierhalter bzw. -nutzer herbeizuführen. Vorerst ist somit festzuhalten, dass die wirtschaftliche Nutzung von Tieren zu den tierschutzrechtlich zulässigen Zwecken keiner besonderen Rechtfertigung bedarf und dass ökonomische Interessen dem Grund nach geeignet sind, Interessen des Tierschutzes zu beschränken. Offen bleibt allerdings die Frage, wie weit wirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden und wie stark die Interessen des Tierschutzes dadurch eingeschränkt werden dürfen. Einen ersten und allgemeinen Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage bietet das bereits 1999 ergangene „Legehennenurteil“ des deutschen BVerfG, in dem dieses darauf hingewiesen hatte, dass der Verordnungsgeber verpflichtet sei, durch einen in den allgemeinen Bestimmungen des deutschen TierSchG „vorgezeichneten Interessenausgleich einen ethisch begründeten Tierschutz befördern, ohne die Rechte der Tierhalter übermäßig einzuschränken“;[4] andererseits betonte das BVerfG, dass der „Begriff der Mindestanforderungen des Tierschutzes (...) unzulässig verengt [würde], wenn er im Sinne eines tierschutzrechtlichen Minimalprogramms verstanden würde.“[5]
Auch bei Versuchstieren handelt es sich um Tiere, die für eine bestimmte Nutzung (Tierversuche und andere wissenschaftliche Zwecke) vorgesehen sind; die im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Nutztieren von der Rspr. herausgearbeiteten Eckpunkte sind daher sinngemäß auch auf diese Gruppe von Tieren anzuwenden; besonders dringlich stellt sich in diesem Bereich die Frage, inwieweit Forschungseinrichtungen verpflichtet sind, finanzielle Mittel zum Refinement von Haltungsbedingungen und Versuchsdurchführung aufzuwenden.
Obwohl es sich bei Heimtieren nach dem Tierschutzgesetz (TSchG) um Tiere handelt, die „als Gefährten oder aus Interesse am Tier im Haushalt gehalten werden“ (§ 4 Z 3 TSchG), spielen pekuniäre Überlegungen auch in diesem Zusammenhang häufig eine nicht unbedeutende Rolle. Einerseits streben auch Halter von Heimtieren nicht selten eine Minimierung der Tierhaltungskosten an (z.B. um Ressourcen für andere Zwecke, etwa für eine Urlaubsreise einsetzen zu können), andererseits verfügen – gerade in Krisenzeiten – immer mehr Tierhalter nicht (mehr) über jene finanziellen Mittel, die zur rechtskonformen Tierhaltung erforderlich sind (z.B. Futterkosten, Energiekosten zum Betrieb von Terrarien oder Aquarien, Behandlungskosten, vor allem für besonders aufwändige Therapieoptionen), sodass den tierschutzrechtlichen Verpflichtungen aufgrund von Sachzwängen (z.B. einer Notlage) nicht mehr entsprochen werden kann. Während die „International Association for Human-Animal Interaction“ (IAHAIO) ein „Menschenrecht auf Tierhaltung“ proklamiert, welches es jedem ermöglichen soll, von den wissenschaftlich erwiesenen Vorteile einer positiven Mensch-Tier-Beziehung zu profitieren,[6] sind aus Tierschutzsicht möglichst hohe Tierhaltungsstandards anzustreben, die dieser Forderung entgegenstehen können. Aus tierschutzrechtlicher Sicht gilt es daher, Anforderungen an Tierhalter festzulegen, die sicherstellen, dass nur solche Personen Tiere halten (dürfen), die zumindest zur Befolgung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen in der Lage sind.[7] Energiekrise und Inflation führen jedoch dazu, dass die Tierhaltung für viele Personen, die bislang den in § 12 Abs. 1f TSchG verankerten allgemeinen Anforderungen an Tierhalter entsprochen haben, zum kostspieligen Hobby bzw. mitunter sogar zu (nahezu) unerschwinglichem Luxus wird.[8] Der – vom TSchG – für solche Fälle vorgesehenen „pfleglichen Unterbringung“ stehen neben der fehlenden Verpflichtung zur Aufnahme von Abgabetieren die zunehmenden finanziellen Engpässe und Kapazitätsprobleme der Tierheime entgegen.[9] Wird ein Tier, dessen Haltung sich der Halter nicht (mehr) leisten kann, nicht freiwillig abgegeben, so ist es ihm nach Maßgabe der in § 37 Abs. 2 TSchG festgelegten Voraussetzungen abzunehmen, wobei Abnahmetiere von Tierheimen übernommen werden müssen.
Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, das zwischen Ökonomie einerseits und Tierschutz andererseits bestehende Spannungsverhältnis aus rechtlicher und ethischer Perspektive zu beleuchten. Zunächst wird dargestellt, welche Rolle ökonomischen Interessen im Tierschutzrecht zukommt; diese Betrachtung zeigt, dass wirtschaftlichen Interessen – u.a. durch die im österreichischen TSchG verankerte Verpflichtung, bei der Festlegung von Mindestanforderungen an die Tierhaltung auch auf ökonomische Auswirkungen Bedacht zu nehmen – bereits in der Tierschutzgesetzgebung selbst eine bedeutende Rolle zukommt. In diesem Zusammenhang ist auf der Grundlage der höchstgerichtlichen Rspr. zu untersuchen, ob und wie weit wirtschaftsbezogene Grundrechte, wie Eigentumsgarantie, Dienstleistungs- und Erwerbsfreiheit, durch Interessen des Tierschutzes eingeschränkt werden dürfen. An ausgewählten Beispielen aus verschiedenen Bereichen der Tierhaltung (landwirtschaftliche Nutztiere, Versuchstiere und Heimtiere) wird der Konflikt zwischen Ökonomie und Tierschutz veranschaulicht und schließlich der Versuch unternommen, Prozess und Ergebnis der Interessenabwägung mit Hilfe einer Matrix zu veranschaulichen.
II. Abwägung zwischen Interessen des Tierschutzes und der Ökonomie – Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Die Frage, ob ökonomische Interessen im Bereich der Tierhaltung eine Rolle spielen dürfen, ist aus positivrechtlicher Sicht nicht nur im Hinblick auf die weiter unten im Detail behandelten Anordnungen des Tierschutzgesetzgebers[10] zu bejahen, sondern ergibt sich bereits aus dem Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung, insbes. aus den wirtschaftsbezogenen Grundrechten.
Zur Beurteilung der Frage, inwieweit zum Schutz öffentlicher Interessen (und damit auch des Tierschutzes) in Grundrechte eingegriffen werden darf, formulierte der VfGH in seiner älteren Rspr. – in Anlehnung an die in Art. 19 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes (GG) ausdrücklich verankerte „Wesensgehaltsgarantie“ – die sog „Wesensgehaltssperre“ und vertrat die Auffassung, dass gesetzliche Beschränkungen eines Grundrechts unzulässig sind, wenn bzw. insoweit sie dessen „Wesenskern“ verletzen.[11] Die formelhaft wiederholte, jedoch weder dogmatisch begründete noch inhaltlich konkretisierte „Wesensgehaltssperre“ wurde seit Mitte der 1980er Jahre vom „Verhältnismäßigkeitsprinzip“ abgelöst, wonach jeder Eingriff in Grundrechte nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein kann, sodass die Zulässigkeit eines Grundrechtseingriffs nicht nur nach dem formalen Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit, sondern auch nach inhaltlichen Maßstäben zu beurteilen ist.[12]
Die Abwägung zwischen den betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Interessen zielt darauf ab, einen verhältnismäßigen Ausgleich der betroffenen Interessen herbeizuführen; sie steht im Zeichen der Einzelfallgerechtigkeit, birgt aber gleichzeitig die Gefahr der „Verunklarung“[13] der Rechtslage und führt – da eine ordnungsgemäße Abwägung ohne umfassende Stoffsammlung nicht möglich ist – zu einem „Einbruch der Realität ins Recht.“[14] Zutreffend wurde auch darauf hingewiesen, dass programmatische Bestimmungen bzw. unbestimmte Rechtsbegriffe die Entscheidungskompetenz von der zuständigen Legislative z.T. zur Vollziehung verlagern.[15]
Während der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der deutschen Rspr. und in der Judikative des EuGH eine lange Tradition aufweist, wurde er in Österreich – ausgehend vom deutschen Verfassungsrecht und von der EMRK – erst seit den 1980er Jahren als allgemeines Rechtsprinzip anerkannt.[16]
Heute stellt die Verhältnismäßigkeitsprüfung einen festen Bestandteil der Grundrechtsjudikatur dar, welche nach h.L. drei Teilelemente (Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i.e.S.) umfasst, die nach der Beurteilung der Legitimität des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks zu prüfen sind.
Legitimität: Bei der Frage, ob der einfache Gesetzgeber mit einer legistischen Maßnahme einen zulässigen Zweck, d.h. ein Ziel verfolgt, das im öffentlichen Interesse liegt, räumt der VfGH dem Gesetzgeber einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspieleraum ein,[17] sodass sich diese Vorprüfung auf eine verfassungsrechtliche Vertretbarkeitskontrolle beschränkt.[18] Die Legitimität des Zwecks kann vom VfGH daher nur dann verneint werden, wenn der Gesetzgeber „ein Ziel verfolgt, das keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen ist.“[19]
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind Eignung, Erforderlich und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.S.) der ein Grundrecht potenziell beschränkenden Maßnahme zu prüfen:
Eignung: Ein Mittel ist dann als geeignet anzusehen, wenn „mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann“.[20] Weder die bessere Eignung eines schwerwiegenderen Grundrechtseingriffs noch allfällige nachteilige Nebenwirkungen der Maßnahme reichen aus, um die Eignung zu verneinen.[21]
Erforderlichkeit: In einem weiteren Schritt ist die Erforderlichkeit der Maßnahme zu prüfen, wobei diese dann zu bejahen ist, wenn „kein gleich wirksames Alternativmittel besteht, welches das Grundrecht nicht oder in einem geringeren Ausmaß beeinträchtigt.“[22] Stehen mehrere geeignete Mittel zur Verfügung, um den legitimen Zweck zu erreichen, so ist der Gesetzgeber somit stets verpflichtet, zum gelindesten Mittel zu greifen. Auch hier kommt dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu; so ist z.B. zu berücksichtigen, ob im Hinblick auf eine angedachte gelindere Alternative „in jeder Hinsicht eindeutig feststeht, dass (...) [sie] einen bestimmten Zweck sachlich gleichwertig erreicht.“[23]
Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.S.): Wurden Legitimität, Eignung und Erforderlichkeit einer Maßnahme bejaht, so ist im letzten Schritt die Verhältnismäßigkeit i.e.S. zu prüfen; dabei ist zu beurteilen, ob zwischen dem angestrebten Ziel, d.h. dem konkreten öffentlichen Interesse einerseits und der Maßnahme, d.h. dem Eingriff in ein bestimmtes Grundrecht andererseits ein angemessenes Verhältnis besteht. Der VfGH vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass ein Grundrechtseingriff nur dann verhältnismäßig ist, wenn er „unter Bedachtnahme auf die Intensität der Grundrechtsbeschränkung eine angemessene Relation der Erfordernisse des Allgemeininteressen zu den Grundrechtsschutzinteressen des Einzelnen bewirkt.“[24] Nach dem Unionsrecht unterliegen Beschränkungen der in der Charta der Grundrechte der EU (GRC) verankerten Grundfreiheiten neben dem Verhältnismäßigkeitsgebot auch dem Diskriminierungsverbot.[25]
In Deutschland hat die u.a. aufgrund der deutlich längeren Geltungsdauer des TierSchG[26] und der Staatszielbestimmung Tierschutz[27] wesentlich umfangreichere Rspr. in verschiedenen Zusammenhängen festgestellt, dass wirtschaftliche Interessen, die mit der Nutzung von Tieren verbunden sind (Minimierung von Kosten-, Arbeits- und Zeitaufwand), die Zufügung von Schmerzen, Leiden oder Schäden grds. nicht zu rechtfertigen vermögen.[28] Aus der Rspr. deutscher Gerichte in Tierschutzfällen wurde eine Reihe verallgemeinerungsfähiger Grundsätze zur Verhältnismäßigkeitsprüfung abgeleitet.[29] Bevor auf diese Grundsätze eingegangen wird, müssen die abzuwägenden Güter sowie ihr Stellenwert im Gefüge der Rechtsordnung beleuchtet werden.
III. Zum Stellenwert des Tierschutzes in der Rechtsordnung
1. Primärrecht der Europäischen Union
a) „Querschnittsklausel Tierschutz“ (Art. 13 AEUV)
Im Primärrecht der EU wurde der Schutz des Wohlbefindens der Tiere erstmals 1997 als Zielsetzung anerkannt: In Nr. 10 des Protokolls zum Vertrag von Amsterdam[30] verpflichteten sich die Vertragsparteien dazu, dass die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Durchführung bestimmter, taxativ aufgezählter Politikbereiche – u.a. Landwirtschaft, Binnenmarkt und Forschung – „(...) den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umfang Rechnung [tragen]; (…).“ In den ErwG bekennen sich die Vertragsparteien ausdrücklich dazu, „(…) sicherzustellen, dass der Tierschutz verbessert und das Wohlergehen der Tiere als fühlende Wesen berücksichtigt wird“. Da Protokolle integrale Bestandteile des zugehörigen Vertrages darstellen,[31] ist Tierschutz seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam am 01.05.1999 ein „rechtsverbindliches Regelungsanliegen“[32] der EU. Im Vertrag von Lissabon[33] wurde der zwischenzeitig erweiterte Wortlaut des Tierschutzprotokolls[34] in einer tierschutzrechtlichen Querschnittsklausel (Art. 13 AEUV) verankert, wodurch „ein politischer Bedeutungsgewinn zum Ausdruck kommt“.[35] Insbes. aus der Wortfolge „Tiere als fühlende Wesen“ erhellt, dass Art. 13 AEUV dem Grundsatz des Individualtierschutzes verpflichtet ist, während Art. 191 AEUV[36], der den Rahmen für die Umweltpolitik der EU festlegt, Tiere lediglich als Teil der natürlichen Umwelt schützt[37] und damit dem Artenschutzrecht zuzuordnen ist. Als Querschnittsklausel stellt Art. 13 AEUV einen verbindlichen Handlungsauftrag an die Union und die Mitgliedstaaten dar; daher müssen Tierschutzbelange auch nach den unionsrechtlichen Vorgaben mit kollidierenden Interessen im Wege der praktischen Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden.[38] Auch der EuGH hat den Tierschutz als ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel anerkannt, nimmt in seiner jüngeren Rspr. vermehrt auf Art. 13 AEUV Bezug und betont die Notwendigkeit, das Sekundärrecht im Lichte dieser Bestimmung auszulegen.[39] Aufgrund der Verpflichtung, bei der Anwendung des Art. 13 AEUV u.a. kulturelle Traditionen zu berücksichtigen,[40] folgt zwar, dass diese Belange gegen den Tierschutz abzuwägen sind, doch wird wohl zurecht bezweifelt, dass daraus ein „allgemeiner Kulturvorbehalt“ der Mitgliedstaaten oder gar ein automatischer Vorrang der angeführten Belange abgeleitet werden kann.[41]
b) Rechtfertigungsgründe gem. Art. 36 AEUV
Gem. Art. 36 AEUV[42] können Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote bzw. -beschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung gerechtfertigt sein, wenn sie dem Schutz der „öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit“ oder dem Schutz der „Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen“ dienen. Keinesfalls darf eine Beschränkung Ausländer bzw. ausländische Produkte benachteiligen[43] oder protektionistische Ziele verfolgen. In seiner ständigen Rspr. hat der EuGH jene Grundsätze herausgearbeitet, die für die Beurteilung der Gemeinschaftsrechtskonformität nationaler Beschränkungen von Grundfreiheiten maßgeblich sind. Ein im Rahmen der sog. „effet utile-Rechtsprechung“ entwickeltes Prinzip lautet, dass auch nichtdiskriminierende, d.h. für In- und Ausländer gleichermaßen geltende Beschränkungen, dann gemeinschaftsrechtswidrig sind, wenn sie der betroffenen Grundfreiheit jede praktische Wirksamkeit nehmen.
Unter den Rechtfertigungsgrund „Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren und Pflanzen“ fallen nach h.L. nicht nur artenschutzrechtliche Erwägungen; vielmehr können sich auch all jene Maßnahmen auf diesen Schutzgrund stützen, die dem Wohlbefinden von Tieren dienen und damit im Zeichen des Individualtierschutzes stehen. Somit können unter Hinweis auf diesen Rechtfertigungsgrund alle Tätigkeiten unterbunden werden, die für Tiere mit Leiden verbunden sind oder deren natürliches Verhalten negativ beeinflussen können.[44]
Nach der Rspr. des EuGH muss eine gerechtfertigte nationale Beschränkung von Grundfreiheiten dem sog. „vierstufige[n] Rechtfertigungsstandard“ entsprechen und damit jedenfalls in nichtdiskriminierender Weise angewendet werden, zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dienen, zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet sowie hierfür erforderlich sein. Diese Rechtfertigungslogik[45] führte dazu, dass die Europ. Kommission ein gegen Österreich angestrengtes Vertragsverletzungsverfahrens gegen das in § 27 Abs. 1 des österreichischen TSchG verankerte Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen einstellte und somit die Unionsrechtskonformität dieser Bestimmung trotz des Berücksichtigungsgebotes zugunsten kultureller Traditionen[46] bestätigte.[47]
2. Österreichisches (Verfassungs-)Recht
a) Staatsziel Tierschutz
Durch die Staatszielbestimmung Tierschutz wurde der Schutz der Tiere 2012 im österreichischen Verfassungsrecht verankert.[48] Zwar kann aus einer Staatszielbestimmung – im Unterschied zu Grundrechten – kein subjektives Recht abgeleitet werden,[49] doch handelt es sich bei dieser Normenkategorie keineswegs nur um deklaratorische „Bekenntnisse des Staates zu bestimmten Aufgaben und Grundwerten“ bzw. gar um bloße „politische Appelle und Verheißungen in verfassungsrechtlicher und damit ‚solenner‘ Form“,[50] sondern um rechtsverbindliche, an alle Gebietskörperschaften und Staatsgewalten gerichtete Gestaltungsaufträge.[51] So hat auch der VfGH im Zusammenhang mit dem BVG Umweltschutz[52] festgestellt, dass dieses grds. eine justiziable Norm darstelle, aus der sich Rechtswirkungen im Hinblick auf Gesetzgebung und Vollziehung ergeben können.[53] Zwar zählen Staatszielbestimmungen nicht zu den „Baugesetzen“ der Verfassung, doch handelt es sich vor allem um Handlungsaufträge an die Legislative[54] und um Auslegungsmaßstäbe für die Vollziehung; besondere Bedeutung kommt Staatszielen bei der Überprüfung der Verfassungskonformität von Gesetzen durch den VfGH zu.[55] Durch die Staatszielbestimmung wird daher klargestellt, dass die Belange des Tierschutzes von Legislative, Judikatur und Exekutive gegen andere verfassungsrechtlich geschützte Interessen abzuwägen und dabei angemessen zu berücksichtigen sind.[56] Staatszielbestimmungen sind den grundrechtlich verbürgten Verfassungsgütern grds. gleichgeordnet,[57] im Konfliktfall gegen diese abzuwägen und somit geeignet, die Beschränkung von Grundrechten zu rechtfertigen.
Nach den Materialien zum Kompetenztatbestand „Tierschutz“[58] ist unter diesem Begriff der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens von Tieren („Individualtierschutz“) zu verstehen; in Ermangelung anderslautender Hinweise in den Materialien zu § 2 BVG Nachhaltigkeit ist davon auszugehen, dass dieses Verständnis auch der Staatszielbestimmung Tierschutz zugrunde liegt und damit den Kern des Staatszieles Tierschutz darstellt.[59]
Ob aus Staatszielbestimmungen im Allgemeinen und aus der Staatszielbestimmung Tierschutz im Besonderen ein „Verschlechterungsverbot“ des im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens geltenden Tierschutzstandards und/oder ein „Nachbesserungsgebot“, d.h. die Verpflichtung zur kontinuierlichen Anhebung des Tierschutzniveaus, abgeleitet werden kann, ist zwar umstritten,[60] doch wurden im Zusammenhang mit dem 1984 erlassenen BVG Umweltschutz[61] einige Argumente herausgearbeitet, die für die Bejahung dieser Frage sprechen.[62]
So wurde im Zusammenhang mit dem BVG Umweltschutz die Auffassung vertreten, dass es dem Gesetzgeber durch die verfassungsrechtliche Absicherung des Umweltschutzes verwehrt sei, den durch die staatliche Umweltpolitik erreichten Standard drastisch zu verschlechtern.[63] Eine solche schwerwiegende Verschlechterung wäre allerdings wohl nur dann anzunehmen, wenn der Kernbereich des Staatszieles verletzt oder gar negiert, d.h. wenn zentrale Bestimmungen wie etwa das Verbot der Tierquälerei ersatzlos aufgehoben würden. Wenngleich ein Hinweis auf die Intention des Verfassungsgesetzgebers fehlt, kann wohl angenommen werden, dass er durch sein ausdrückliches Bekenntnis zum Tierschutz das Ziel verfolgt, den Schutz der Tiere zu verbessern; daher kann auch davon ausgegangen werden, dass das Staatsziel Tierschutz als Selbstbindung dahingehend wirkt, dass vom erreichten Tierschutzstandard nicht ohne weiteres abgewichen werden darf.[64]
Was ein „Nachbesserungs- bzw. Fortschrittsgebot“ betrifft, so ist zwar auch dieses weder aus dem Wortlaut noch aus den Materialien zweifelsfrei abzuleiten, doch ist der Gesetzgeber nach der höchstgerichtlichen Rspr. dazu verpflichtet, Rechtsvorschriften an den gesellschaftlichen Wertewandel[65] und wohl auch an veränderte rechtliche Rahmenbedingungen[66] anzupassen.
Die Bekenntnisse zur „Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit hochqualitativen Lebensmitteln tierischen (...) Ursprungs auch aus heimischer Produktion“[67] und zur „Bedeutung der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung[68] stehen in einem Konkurrenzverhältnis zum Tierschutz und haben vermutlich deshalb Eingang in das BVG-Nachhaltigkeit gefunden, um potentielle Einschränkungen im Zusammenhang mit der Nutzung von Tieren zur Lebensmittelproduktion bzw. zu Tierversuchen durch das Staatsziel Tierschutz zu verhindern.[69] Während die Forschungsfreiheit grundrechtlich ausreichend absichert ist,[70] bedarf das neu eingeführte Bekenntnis zur Versorgung mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs einer genaueren Betrachtung. Abgesehen davon, dass die Lebensmittelversorgung bislang nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen erfolgt und nicht klar ist, ob und ggf. welche Pflichten den Staat durch § 5 BVG treffen, ist bemerkenswert, dass die Einschränkung auf hochqualitative Lebensmittel in der Literatur ausschließlich unter dem Aspekt des Lebensmittelrechts thematisiert wird,[71] obwohl Produktionsbedingung tierischer Lebensmittel ursächlich mit dem Schutz der hierfür verwendeten Tiere (Haltung, Transport und Schlachtung) zusammenhängen und Schutzstandard bzw. Tierwohl die Qualität der Lebensmittel maßgeblich beeinflusst;[72] es ist daher – nicht zuletzt auch im Hinblick auf Bio-Produkte und Label-Programme – fraglich, ob Tiere, die unter Einhaltung der tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen gehalten, transportiert und geschlachtet werden, geeignet sind, hochqualitative Produkte zu liefern. Da die Mindestanforderungen nur die „Demarkationslinie“ zu tierquälerischen Haltungsbedingungen ziehen und damit allenfalls geeignet sind, ungerechtfertigte Schmerzen, Leiden und Schäden hintanzuhalten, wird man nicht davon ausgehen können, dass alle von im Inland gehaltenen, transportierten und geschlachteten Tieren stammenden Produkte,[73] sondern nur solche Erzeugnisse in den Schutzbereich des § 5 BVG Nachhaltigkeit fallen, die besonderen Qualitätsstandards entsprechen. Für eine solche Differenzierung spricht auch der Umstand, dass der Tierschutzgesetzgeber zwischen Tierhaltungen, die lediglich den Mindestanforderungen entsprechen, und „tierfreundlichen“ (und als solche förderungswürdigen) Tierhaltungen unterscheidet.[74] Zudem sprechen wiederkehrende mediale Berichte über Missstände in Nutzierhaltungen, die mit behördlich anerkannten Gütesiegeln ausgezeichnet sind[75] oder mit „Tierwohl-Standards“ in Zusammenhang gebracht werden,[76] dagegen, dass jegliche Form der Produktion tierischer Nahrungsmittel unter § 5 BVG Nachhaltigkeit subsumiert werden kann.
b) Zielbestimmung Tierschutzgesetz (§ 1 TSchG)
§ 1 TSchG definiert das geschützte Rechtsgut „Tierschutz“ als „Leben und Wohlbefinden der Tiere“; der Gesetzgeber bekennt sich damit zum ethisch motivierten (originären) Tierschutz,[77] d.h. dass jedes einzelne Tier („Individualtierschutz“) als fühlendes – zu positiven und negativen Empfindungen fähiges Lebewesen um seiner selbst willen, und nicht etwa bloß aus anthropozentrischen Motiven, unter dem Schutz der Rechtsordnung steht.[78] Die Anerkennung des Tieres als Mitgeschöpf legt dem Menschen einen besonderen Sorgfaltsmaßstab im Umgang mit Tieren auf und gebietet dem Menschen Achtung und Respekt vor dem Tier, sodass einer bloßen Betrachtung des Tieres nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Boden entzogen ist.[79]
Nach den Gesetzesmaterialien und nach der höchstgerichtlichen Rspr. stellt das Anliegen des Tierschutzes ein „weithin anerkanntes und bedeutsames öffentliches Interesse“[80] dar, das in der Abwägung gegen andere (verfassungsrechtliche geschützte) Interessen angemessen zu berücksichtigen ist, auf – legislativer Ebene – den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zugunsten des Tierschutzes erweitert[81] und 2012 durch die verfassungsrechtliche Absicherung in § 2 BVG Nachhaltigkeit eine Stärkung erfahren hat.[82] Als Grundsatz kann somit vorerst festgehalten werden, dass der sich für die Abwägung konfligierender Interessen eröffnete Spielraum so genutzt werden muss, dass der Individualtierschutz, d.h. der Schutz jedes einzelnen tierlichen Individuums um seiner selbst willen, nicht ungebührlich vernachlässigt werden darf, sondern in einer seinem Stellenwert angemessenen Weise berücksichtigt werden muss.
Der Schutz des tierlichen Lebens bewirkt, dass dieses der grundlosen und erst recht der willkürlichen Verfügbarkeit durch den Menschen entzogen ist; die Tötung von Tieren ist nur dann zulässig, wenn sie durch einen „vernünftigen Grund“, d.h. durch eine Rechtsnorm[83] oder als Ergebnis einer einzelfallbezogenen Abwägung der betroffenen Interessen[84] gerechtfertigt ist.
Da „Wohlbefinden“ die physische und psychische Gesundheit der Tiere sowie die Möglichkeit voraussetzt, dass diese ihre artspezifischen Bedürfnisse weitgehend ungehindert befriedigen können,[85] geht dieses Konzept (weit) über die Abwesenheit von negativen Empfindungen (Schmerzen, Leiden, Ängsten) und Schäden hinaus und korrespondiert mit dem in den Tierschutzwissenschaften aktuell diskutierten Ansatz des „positive welfare“.[86]
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden geschützten Rechtsgüter. Zwar könnte in Anbetracht derselben Strafandrohung für eine Übertretung des Verbots der Tierquälerei einerseits und für die ungerechtfertigte Tötung eines Tieres andererseits von einer Gleichrangigkeit des tierlichen Lebens und Wohlbefindens ausgegangen oder aus der Reihenfolge der Nennung der Rechtsgüter sogar auf den Vorrang des Lebensschutzes geschlossen werden, doch sprechen die primär pathozentrische Ausrichtung des TSchG,[87] der Umstand, dass die tierschutzkonforme Tötung von Tieren ein z.T. gebotenes Mittel zur Beendigung von Schmerzen und Leiden darstellt[88] und die zahlreichen Ausnahmen aus dem Tötungsverbot[89] dafür, dass das vorrangige Anliegen des TSchG darin besteht, (nutzungsbedingte) Schmerzen und Leiden von Tieren zu verhindern oder zu minimieren. Schließlich stützt auch eine rechtshistorische Betrachtung die Auffassung, dass „Tierquälerei ein sanktionsbedürftigeres Delikt darstellte als die – schmerzlose – Tiertötung“;[90] für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in diese Rechtsgüter bedeutet dies, dass die Zufügung von Schmerzen oder Leiden höhere Anforderungen an eine mögliche Rechtfertigung stellen als die Tötung von Tieren, sofern diese mit der nach aktuellem Wissenstand nachweislich schonendsten Tötungsmethode erfolgt.
IV. Rolle und Bedeutung wirtschaftlicher Interessen im Tierschutzrecht
1. Sekundärrecht der Europäischen Union (Beispiele)
Da die Ziele der Union ungeachtet der Aufwertung, die der Tierschutz im Primärrecht seit 1999 erfahren hat,[91] nach wie vor in erster Linie darin bestehen, die Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt zu harmonisieren, kommt ökonomischen Interessen in tierschutzrelevanten Rechtsakten erhebliche Bedeutung zu. Trotz der weitreichenden Bestimmung des Art. 13 AEUV stellt die Verbesserung des Tierschutzes durch Akte des Sekundärrechts lediglich eine “Reflexwirkung“ dar, die zudem nur in jenen Mitgliedstaaten schlagend wird, deren nationale Tierschutzstandards im Zeitpunkt des Beitritts unter den unionsrechtlichen Mindestanforderungen liegt. Da sich Art. 13 AUEV auch an die einzelnen Mitgliedstaaten selbst richtet, sind diese allerdings angehalten, dem Tierschutz über die Mindestanforderungen hinaus Rechnung zu tragen, sodass sie von ihrer Verantwortung für höhere Tierschutzstandards nicht entbunden werden.
Trotz einzelner Bemühungen zur Verbesserung des Tierschutzes muss die Frage gestellt werden, ob der in Art. 13 AEUV verankerte weitreichende Anspruch im Sekundärrecht der Union auch nur näherungsweise[92] verwirklicht wird. Inwieweit die EU als solche der Selbstbindung gerecht wird, ist allerdings fraglich: So wird etwa in der Richtlinie (RL) zum Schutz von Masthühnern[93] in der sog. Endmast eine höchstzulässige Besatzdichte von 33 kg / m² festgelegt, die unter bestimmten Voraussetzungen auf bis zu 39 kg bzw. 42 kg erhöht werden darf, obwohl der Wissenschaftliche Ausschuss für Tiergesundheit und Tierschutz auch bei Optimierung bestimmter stallklimatischer Bedingungen eine maximale Besatzdichte von etwa 30 kg/m² empfohlen hatte.[94] Ob dem Interesse des Tierschutzes dadurch die ihm gem. Art. 13 AEUV gebührende Bedeutung beigelegt wurde, ist fraglich, zumal ein allfällig durchgeführter Abwägungsprozess nicht nachvollziehbar ist und, soweit ersichtlich, auch keine Begründung für die Entscheidung veröffentlicht wurde. Ähnliche Zweifel bestehen im Hinblick auf die Zulässigkeit der Tötung von Tieren durch Kohlendioxid: Im Rahmen der langjährigen Vorbereitung der RL 2010/63/EU war ein Verbot dieser Tötungsmethode für Versuchstiere diskutiert worden, da wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hinweisen, dass sie mit einer deutlich höheren Belastung verbunden ist als lange Zeit angenommen wurde. Der Vorschlag wurde jedoch nicht weiterverfolgt;[95] da es sich bei der Vergasung mit CO2 um eine kostengünstige und weit verbreitete Methode zur Tötung von Labornagetieren handelt, stellt sich auch hier die Frage, ob Tierschutzinteressen möglicherweise in unverhältnismäßiger Weise durch ökonomische Interessen eingeschränkt wurden. Im Unterschied zu der ebenso problematischen Betäubung von Schweinen mittels CO2[96] wird die Zulässigkeit dieser Methode zur Tötung von Versuchstieren nicht einmal in den ErwG zu RL 2010/63/EU thematisiert.
2. Relevante Grundrechte
Die Tierschutzgesetzgebung legt der Haltung und dem Umgang mit Tieren Schranken auf und greift somit notwendigerweise in Grund- und Freiheitsrechte ein; aus ökonomischer Sicht kommt es vor allem im Hinblick auf wirtschaftsbezogene Grundrechte (Eigentumsgarantie, Erwerbs- und Dienstleistungsfreiheit) sowie im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit zu Kollisionen mit dem Rechtsgut „Tierschutz“.
a) Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG; Art. 17 GRC)
Da Vorschriften zum Schutz von Tieren diese gerade auch vor ihren Eigentümern schützen sollen, beschränken sie das Eigentumsrecht als „Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden anderen davon auszuschließen.“[97]
Gem. Art. 5 StGG ist das Eigentum unverletzlich. Nach Art. 17 GRC hat jede Person das Recht, „ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben.“ Der EGMR unterscheidet im Hinblick auf Art. 1 des 1. ZPEMRK zwischen dem Entzug des Eigentums, Regelungen zur Benützung des Eigentums und sonstigen Eigentumseingriffen.[98] Unter Eigentumsbeschränkungen sind alle staatlichen Eingriffe in das Eigentum zu verstehen, die keine Enteignung darstellen; als weniger weitreichende Maßnahmen sind Eigentumsbeschränkungen eher verhältnismäßig als Enteignungen.[99] Sowohl Enteignung (Entzug des Eigentums) als auch Beschränkungen des Eigentums sind lediglich aus Gründen des öffentlichen Interesses und in gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig. Eigentumsbeschränkungen sind nur zulässig, wenn sie einem bestimmten öffentlichen Interesse dienen, nicht unverhältnismäßig sind und den Wesensgehalt des Grundrechts nicht berühren.[100] Führt eine Eigentumsbeschränkung zu einer erheblichen Vermögensbelastung, so ist sie im Hinblick auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit nur zulässig, wenn sie wirtschaftlich zumutbar ist.[101]
Nach der Rspr. des EGMR müssen Beschränkungen der Benützung des Eigentums einen „billigen Ausgleich“ zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und denen des Einzelnen herstellen; zudem muss eine „vernünftige Verhältnismäßigkeitsbeziehung zwischen den angewendeten Mitteln und dem angestrebten Ziel bestehen, wobei dem Staat ein Ermessensspielraum zukommt.[102] Der EuGH orientiert sich in seiner Rspr. zur Eigentumsfreiheit am Allgemeinwohl und an der Wesensgehaltsgarantie: Nutzungsbeschränkungen können demnach aufgrund relevanter Allgemeininteressen (z.B. Verbraucher- oder Umweltschutz) gerechtfertigt werden,[103] wobei davon auszugehen ist, dass auch der Tierschutz einen Rechtfertigungsgrund darstellt. Auch nach der Rspr. des EuGH dürfen eigentumsbeschränkende Maßnahmen den Wesensgehalt des Eigentumsrechts nicht verletzen, was dann der Fall wäre, wenn die Wirkung der Maßnahme einem Eigentumsentzug gleichkäme bzw. wenn es dem Betroffenen durch die Beschränkung praktisch unmöglich gemacht würde, sein Eigentum frei zu nutzen oder seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen; der Wesensgehalt bleibt hingegen unberührt, wenn lediglich die Modalitäten der Ausübung des Eigentumsrechts reglementiert werden.[104]
b) Erwerbsfreiheit (Art. 6 StGG; Art. 15f GRC)
Art. 6 Abs. 1 StGG räumt jedem Staatsbürger[105] das Recht ein, unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig auszuüben. Erwerbsfreiheit und Eigentumsgarantie schützen die Privatautonomie und insbes. die Freiheit wirtschaftlicher Entscheidungen einschließlich der Vertragsfreiheit; sie stellen damit die Grundlagen der geltenden Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung dar.[106] Das Grundrecht der Erwerbsfreiheit schützt jede zulässige, auf Erzielung eines wirtschaftlichen Erfolges gerichtete Tätigkeit, und zwar sowohl den Antritt als auch die Ausübung des angetretenen Berufes.[107]
Seit Anfang der 1980er Jahre vertritt der VfGH die Auffassung, dass Eingriffe in die Erwerbsfreiheit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen.[108] Bei der Beurteilung, ob ein Eingriff in das Grundrecht im öffentlichen Interesse liegt, hat der VfGH lediglich zu beurteilen, ob und ggf. welchem öffentlichen Interesse die Maßnahme dient. Dem Gesetzgeber kann daher nur dann entgegengetreten werden, wenn das von ihm verfolgte Ziel keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen ist.[109] Objektive Beschränkungen des Erwerbsantritts, das sind solche, die vom Betroffenen aus eigener Kraft nicht überwunden werden können, beurteilt der VfGH grds. als schwere Eingriffe in die Erwerbsfreiheit; diese können nur durch besonders wichtige öffentliche Interessen gerechtfertigt werden, sofern keine gelindere Alternative für die Erreichung der Zielsetzung besteht.[110] Im Hinblick auf die Festlegung subjektiver Beschränkungen der Aufnahme einer bestimmten Erwerbstätigkeit (z.B. Erfordernis eines Sachkundenachweises, Festlegung bestimmter Vorgaben für die Erwerbsausübung) räumt die Rspr. dem Gesetzgeber hingegen ein „beträchtliches Maß an Gestaltungsfreiheit“ ein, da dieser Eingriff i.d.R. weniger gravierend ist.[111]
Komplementär zur Warenverkehrsfreiheit gewährleistet Art. 56 AEUV[112] die Freiheit, Dienstleistungen zu erbringen und zu empfangen. Nach der Rspr. des EuGH sind Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit (z.B. durch berufsrechtliche Regelungen) aus „zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“ zulässig, sofern sie zur Zielerreichung geeignet und verhältnismäßig sind.[113] Beschränkungen der Berufsausübung gelten grds. als weniger gravierend als Beschränkungen des Berufsantritts. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der VfGH das Verbot der Haltung und Ausstellung von Hunden und Katzen in Zoofachhandlungen, das Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen sowie eine Reglementierung der Arbeitszeit und -bedingungen zum Schutz von Fiakerpferden als gerechtfertigte Eingriffe in das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung beurteilt.[114]
c) Wissenschaftsfreiheit (Art. 17 StGG; Art. 13 GRC)
Gem. Art. 17 Abs. 1 StGG sind die Wissenschaft und ihre Lehre frei. Obwohl die Wissenschaftsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet wird, geht die Rspr. aufgrund der Gesetzesmaterialien von einer Bindung an die allgemeinen Gesetze aus („immanente Grundrechtsschranken“).[115] Die wissenschaftliche Forschung und Lehre darf jedoch keinen Beschränkungen unterworfen werden, die intentional auf die Einengung dieser Freiheiten abzielen.[116] Ein staatlicher Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist nur dann zulässig, wenn er zum Schutz eines anderen Rechtsgutes erforderlich und zweckmäßig ist.[117] Ausnahmsweise können aber auch intentionale Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit zulässig sein, wenn das zur Begründung der Einschränkung herangezogene Rechtsgut verfassungsrechtlich geschützt ist.[118]
Im Unterschied zum Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit im österreichischen und deutschen Verfassungsrecht steht Art. 13 GRC unter dem allgemeinen Schrankenvorbehalt des Art. 52 Abs. 1 GRC, wonach jede Einschränkung der Ausübung der in der GRC anerkannten Rechte und Freiheiten „gesetzlich vorgesehen sein (...) und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss.“ Weiters dürfen Einschränkungen nach dieser Bestimmung nur „unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (...) vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“[119] Rechtfertigungsgründe für die Einschränkung der in Art. 13 GRC verankerten Wissenschaftsfreiheit können sich z.B. aus dem „Risikopotential einer handlungs- und kommunikationsorientieren Forschung sowie aus ethischen Grundlagen ergeben.“[120]
3. Österreichisches Tierschutzrecht
Im Unterschied zu seinen Pendants, den Tierschutzgesetzen Deutschlands und der Schweiz, misst der österreichische Gesetzgeber ökonomischen Interessen auf legislativer Ebene ausdrücklich eine bedeutende Rolle zu, die in der Rechtsentwicklung seit 2005 konsequent fortgeschrieben wird:
a) Verordnungsermächtigung gemäss § 24 Abs. 1 TSchG
Die Aufgabe, spezifische Mindestanforderungen an die Haltung einzelner Tierarten bzw. Nutzungsrichtungen festzulegen und damit „den Schutz der Tiere mit den Interessen der Halter in ein angemessenes Verhältnis zu bringen“, wird dem Verordnungsgeber übertragen.[121] Das als Rahmengesetz konzipierte TSchG ermächtigt den zuständigen Bundesminister in § 24 Abs. 1 TSchG durch V Mindestanforderungen an die Haltung der in Z 1 angeführten, typischerweise landwirtschaftlich genutzten Tierarten[122] sowie an andere Wirbeltiere[123] festzulegen. Dies hat unter Berücksichtigung der „Zielsetzung und (...) sonstigen Bestimmungen“ des TSchG sowie unter „Bedachtnahme auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die ökonomischen Auswirkungen“ zu erfolgen. Im Hinblick auf die Mindestanforderungen an die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere ist der für die Vollziehung des TSchG federführend zuständige Bundesminister für Gesundheit[124] verpflichtet, das Einvernehmen mit dem für Angelegenheiten der Land- und Forstwirtschaft zuständigen Ressortleiter[125] herzustellen. Durch diese Verpflichtung wird das vorrangige Ziel des TSchG, welches darin besteht, Leben und Wohlbefinden der Tiere aus der Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf zu schützen, relativiert, sodass bereits im Rahmen der Festlegung des Mindestschutzniveaus eine Güterabwägung zwischen dem Schutz der Tiere und ökonomischen Interessen der Tierhalter erfolgen muss.
Die ausdrückliche Verpflichtung zur Bedachtnahme auf die ökonomischen Auswirkungen der tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen, die im Tierschutzrecht des deutschsprachigen Raums ein Spezifikum darstellt,[126] und die im Hinblick auf die 1. ThV vorgesehene Einvernehmensregelung[127] führen dazu, dass die Gesetzeskonformität zahlreicher Mindestanforderungen für die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere fraglich erscheint, weil diese über weite Strecken nicht mit den in § 13 Abs. 2f TSchG verankerten Grundsätzen der Tierhaltung im Einklang stehen und zudem ungeeignet sind, den von § 1 TSchG angestrebten Schutz des Wohlbefindens jedes einzelnen tierlichen Individuums zu erreichen.
Diese Problematik war 2009 Gegenstand einer Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft (VA)[128], in der diese aufgrund mehrerer Sachverständigengutachten zur Auffassung gelangte, dass Zuchtsauen durch die nach der 1. ThV zulässige Unterbringung in Kastenständen infolge einer massiven Einschränkung der Bewegungsfreiheit Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt werden. Dies widersprach nach Auffassung der VA § 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Z 10, § 13 Abs. 1 und 2 sowie § 16 Abs. 1 und 2 TSchG und belastete die entsprechenden Verordnungsbestimmungen mit Gesetzwidrigkeit. Weiter führt die VA aus, dass eine dem TSchG entsprechende Tierhaltung auf die physiologischen und ethologischen Bedürfnisse von Zuchtschweinen angemessen Rücksicht zu nehmen hat. Zur Bindung des Verordnungsgebers an den Gesetzgeber führt die VA aus: Nach dem Stufenbau der Rechtsordnung vermag eine Verordnung in gesetzeskonformer Weise ein Gesetz lediglich zu konkretisieren, nicht jedoch in diesem Gesetz klar ausgesprochene Ge- bzw. Verbote abzuschwächen. Die Auslegung des TSchG hat sich – wie nach allgemeinen Auslegungsregeln anerkannt – am Wortlaut, dem Zweck und der Systematik des Gesetzes zu orientieren. Dabei ist insb. auf das in § 1 TSchG expressis verbis enthaltene Ziel Bedacht zu nehmen. Die Verpflichtung zur Bedachtnahme auf die ökonomischen Auswirkungen der Mindestanforderungen in der Verordnungsermächtigung gem. § 24 Abs. 1 TSchG kann im Lichte der systematischen und teleologischen Interpretation nicht als Generalermächtigung verstanden werden, mit der Bestimmungen des TSchG unter einen auf ökonomische Auswirkungen abstellenden Vorbehalt gestellt und somit im Ergebnis im Verordnungsweg weitgehend relativiert werden können.[129]
Die Akzentuierung der Bedeutung ökonomischer Interessen wird in der weiteren Entwicklung des TSchG konsequent fortgeschrieben: Auch die „Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz“[130] (§ 18a TSchG), die ursprünglich im Zusammenhang mit der Implementierung eines am Vorbild Schwedens orientierten verpflichtenden Prüfverfahrens für neuartige Aufstallungssysteme und Stalleinrichtungen etabliert wurde,[131] fungiert u.a. als „zentrale Informations- und Begutachtungsstelle im Bereich des Tierschutzes“, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht nur auf den Stand der Wissenschaft und Forschung, sondern auch auf „gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen sowie auf praktische Erfahrungen“ Bedacht zu nehmen hat.
Auch im Zusammenhang mit tierschutzrechtlich angeordneten Forschungsprojekten wird die Berücksichtigung ökonomischer Interessen sichergestellt: So wird zur Evaluierung der Gestaltung von Böden und Buchten in der Schweinehaltung in der TSchG-Nov 2022 (§ 44 Abs. 30 TSchG) die Durchführung eines Forschungsprojektes angeordnet, dessen Ergebnisse in die ab 1.1.2040[132] geltenden Mindestanforderungen einfließen sollen. Das Ziel dieses Projektes besteht darin, Vollspaltenböden „unter ökonomischen, arbeitstechnischen und ökologischen Aspekten sowie unter Berücksichtigung des Verbotes des routinemäßigen Schwanzkupierens“ zu untersuchen. Auch wenn durch dieses Projekt „die Anforderungen zur Strukturierung und Ausgestaltung der Buchten, sowie der Böden als Alternative zu den bestehenden Vollspaltenbuchten im Sinne des Tierwohls“ entwickelt werden sollen, kann aus der Reihenfolge der Aufzählung der zu untersuchenden Einflussfaktoren geschlossen werden, dass der Gesetzgeber sozio-ökonomischen Interessen höhere Bedeutung zuerkennt als den Tierschutzinteressen.
b) „Toleranzgrenze“ gemäss § 44 Abs. 5a TSchG
Der durch die Nov. BGBl. I 2008/35 in § 44 TSchG eingefügte Abs. 5a ermächtigt Nutztierhalter die in den Anl. zur 1. ThV festgelegten Mindestabmessungen für Haltungseinrichtungen um bis zu 10 % zu unterschreiten, sofern es sich um Betriebe handelt, die bereits zum 1. 1. 2005 bestanden haben und die weiteren, in Abs. 5a angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar stellt die als „Toleranzregelung“ („10 %-Regel“) bezeichnete Ermächtigung nach den Gesetzesmaterialien keine allgemeine Ausnahme für Haltungseinrichtungen dar, sondern ist auf die einzelne Einrichtung (z.B. auf eine Box in einer Boxenreihe) beschränkt,[133] doch hätten einzelfallbezogene Lösungen eine Beurteilung des Zustandes der einzelnen Tiere in den betroffenen Betrieben (z.B. im Rahmen eines Bewilligungsverfahrens) zur Voraussetzung, da das Wohlbefinden stets nur individuell beurteilt werden kann. Im Ausschussbericht (AB) wird dazu festgestellt, dass „bei Sicherstellung des Wohlbefindens der Tiere und nach Abwägung des baulichen Anpassungsbedarfs auch über einzelne Einrichtungselemente (wie z.B. einen Standplatz oder eine Liegebox) hinausgehend, Ausnahmen in bei Inkrafttreten des TSchG bereits bestehenden Haltungsanlagen ermöglicht werden“.[134] Nach dem zitierten AB kann die „Sicherstellung einer den Zielen des TSchG entsprechenden Tierhaltung und des Wohlbefindens der Tiere (…) über die Durchführung der Evaluierung Tierschutz als gewährleistet angesehen werden, falls diese in allen sonstigen (nicht von der Toleranzregelung des § 44 Abs. 5a betroffenen) Fragen eine Übereinstimmung mit den Anforderungen des TSchG und der 1. ThV bestätigt“.
c) Bemessung der Dauer von Übergangsfristen
Übergangsfristen sollen bei Änderung der Rechtslage Konflikte zwischen individuellen Interessen an der möglichst langen Fortschreibung der alten Rechtslage einerseits und öffentlichen Interessen an der möglichst raschen Implementierung der neuen Rechtslage andererseits ausgleichen. Grundsätzlich sind Übergangsfristen mit dem Prinzip des Individualtierschutzes unvereinbar, da sie es Tierhaltern ermöglichen, mehrere Generationen von Tieren unter Bedingungen zu halten, die nach der neuen Rechtslage und damit nach Einschätzung des Gesetzgebers selbst als nicht mehr adäquat gelten. Großzügig bemessene Übergangsfristen für Neuerungen in der Nutztierhaltung zählen generell zu den Schwachstellen tierschutzrechtlicher Vorschriften. Aus der Rspr. des EuGh und des BVerfG lassen sich allgemeine Grundsätze für die Interessenabwägung zur Bemessung von Übergangsfristen ableiten: So sind die Anforderungen, die an das öffentliche Interesse zu stellen sind, umso höher, je schutzwürdiger das individuelle Vertrauen auf die Weitergeltung der Rechtslage ist; anderseits dürfen Übergangsfristen umso kürzer sein, je dringlicher das gesetzgeberische Anliegen, je höherrangiger das zu schützende Rechtsgut und je weniger schutzwürdig das individuelle Vertrauen auf die Weitergeltung der Rechtslage ist. Bei der Bemessung der Dauer von Übergangsfristen sind daher alle betroffenen Interessen zu identifizieren und in einer ihrem Stellenwert angemessenen Gewichtung zu berücksichtigen. Der Vertrauensschutz kann jedoch durch verschiedene Faktoren, z.B. durch die Säumigkeit des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers bei der Erlassung der neuen Rechtsvorschriften, eingeschränkt werden. So ist bei der Umsetzung von EU-RL zu berücksichtigen, dass die im Unionsrecht vorgegebene Umsetzungsfrist als „Zeitkorridor“ für die Lösung von Übergangsproblemen genutzt werden muss und dass durch das nationale Recht gewährte Übergangsfristen die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht gefährden dürfen.[135]
Der VfGH erachtet es in seiner ständigen Rspr. als „verfassungsrechtlich zulässig und unter Umständen auch geboten, dass der Gesetzgeber ein den Umständen angemessenes Übergangsrecht bereitstellt“[136], doch darf dies „nicht zu unsachlichen Unterscheidungen führen und muss insbes. auch bezogen auf die Dauer sachlich gerechtfertigt sein.“[137] Unter Hinweis auf diese Grundsätze hat der VfGH kürzlich die Übergangsfrist, die im Rahmen der TSchG-Nov 2022 für das Verbot der Haltung von Schweinen in unstrukturierter Vollspaltenbuchten festgelegt worden war,[138] als „überschießend lang“ beurteilt, in Ermangelung einer sachlichen Rechtfertigung als verfassungswidrig aufgehoben und dies wie folgt begründet: „Indem der Gesetzgeber selbst diese Wertung im Hinblick auf das Ziel des Tierschutzes getroffen [d.h. das Verbot des gegenständlichen Haltungssystems beschlossen] hat, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, wenn er mit der Festlegung einer 17-jährigen Übergangsfrist einseitig auf den Investitionsschutz abstellt und bei der Abwägung den Tierschutz nicht adäquat berücksichtigt.“[139]
Dass die Bemessung von Übergangsfristen im Bereich des Tierschutzrechts kaum auf strukturierten Abwägungsprozessen und nachvollziehbaren Kriterien beruht, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die Dauer von Übergangsfristen in den Gesetzesmaterialien in der Regel nicht begründet werden.[140]
V. Rolle und Bedeutung wirtschaftlicher Interessen in der Rechtsprechung zur Tierschutzgesetzgebung
1. Österreich
Bereits vor der Anerkennung des Tierschutzes als Staatsziel hatte der VfGH den Tierschutz wiederholt als „bedeutsames öffentliches Interesse“ bezeichnet[141] und sich in mehreren Erkenntnissen mit möglichen Eingriffen tierschutzrechtlicher Reglementierungen in die Erwerbs-, Dienstleistungs- und Eigentumsfreiheit auseinandergesetzt.
a) Verbot der Haltung und Ausstellung von Hunden und Katzen in gewerblichen Einrichtungen
Nach der StF des 31 Abs. 5 TSchG[142] war es verboten, Hunde und Katzen im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit in Zoofachhandlungen und vergleichbaren Einrichtungen zum Zweck des Verkaufs zu halten und auszustellen. In einem von einem Zoofachhändler angestrengten Normenprüfungsverfahren stellte der VfGH fest, dass kein unzulässiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit vorlag, da es sich nicht um ein generelles Verkaufsverbot, sondern lediglich um eine Beschränkung von Verkaufsmodalitäten handle; den Zoofachhändlern bleibe es unbenommen, sich alternativer Wege der Geschäftsanbahnung (z.B. Kataloge, Internet) zu bedienen und Verkäufe zu tätigen. Das Verbot liege im öffentlichen Interesse und sei zum Schutz der Tiere erforderlich, da eine artgerechte Haltung von Hunden und Katzen, insbes. die Sozialisierung von Jungtieren in Zoofachgeschäften und anderen gewerblichen Einrichtungen nicht gewährleistet werden könne. Der VfGH führt weiters aus, dass das Ergebnis der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müsse, räumt dem Gesetzgeber bei der Festlegung von Regelungen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit jedoch einen größeren rechtspolitischen Gestaltungsspielraum ein als bei Vorschriften, die den Zugang zu einem Beruf regeln.[143]
b) Verbot der Haltung und Heranziehung von Wildtieren in Zirkussen
Ähnlich argumentierte der VfGH im Zusammenhang mit dem Verbot, Wildtiere in Zirkussen, Varietés und ähnlichen Einrichtungen zu halten und zu Darbietungen heranzuziehen. Bei diesem Verbot handle es sich lediglich um eine Vorschrift zur Berufsausübung, die aufgrund des hohen Stellenwerts des Tierschutzes und des Wertewandels in der Gesellschaft als verhältnismäßig zu betrachten sei. Trotz der „langen Tradition der Erwerbs- und Lebensform des Zirkusses (einschließlich historisch immer damit verbunden gewesener Darbietungen mit bestimmten Wildtieren)“ kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er „heute die Verwendung von Wildtieren in Zirkussen und damit für diese Tiere verbundene Beeinträchtigungen und Belastungen zum Zwecke der Zerstreuung und Belustigung von Menschen nicht mehr hinnehmen will.“ Ein generelles Verbot der Haltung und Verwendung von Wildtieren in Zirkussen sei insbes. aufgrund des hohen Maßes an Mobilität, die für Zirkusse typisch ist, erforderlich.[144]
c) Generelles Verbot elektrischer Dressurgeräte
Auch im generellen Verbot der Verwendung elektrisierender Dressurgeräte (§ 5 Abs. 2 Z 3 lit. a) TSchG), welches von einem Hundetrainer angefochten worden war, konnte der VfGH keinen unzulässigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit bzw. den Eigentumsschutz erkennen. Auch hier betont das Höchstgericht, dass es grds. in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers falle, eine Wertung darüber zu treffen, welche Verhaltensweisen als Formen der Tierquälerei verpönt sind; dabei sei es ihm auch unbenommen, nicht auf die konkrete Herbeiführung von Schmerzen, Leiden Schäden oder schwerer Angst abzustellen, sondern sämtlichen elektrisierenden Dressurgeräten eine potenziell tierschädigende Wirkung beizumessen und jeglichen Einsatz solcher Geräte zu verbieten. Auch in diesem Fall stehe außer Zweifel, dass das Verbot dem Tierschutz diene und damit ein öffentliches Interesse verfolge. Nach Auffassung des VfGH handelt es sich um eine verhältnismäßige Einschränkung des Eigentumsschutzes, da die „Beschränkung des Hundehalters hinsichtlich der Modalitäten der Ausbildung und des Einsatzes seines Hundes“ weniger schwer wiege als das öffentliche Interesse am Tierschutz. Ein unzulässiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit liege schon deshalb nicht vor, weil es dem Antragsteller unbenommen sei, seiner Tätigkeit als Hundeausbildner unter Einsatz erlaubter Hilfsmittel zur Dressur [sic!] der Tiere nachzugehen.[145]
d) Beschränkung des Einsatzes von Fiakerpferden
Schließlich beurteilte der VfGH auch § 3 Abs. 2 u 4 des Wr. Fiaker- und PferdemietwagenG[146] als verfassungskonform, da die darin verankerten Beschränkungen für den Einsatz von Fiakerpferden (Limitierung der Dauer des Einsatzes und Verbot des Einsatzes bei bestimmten Wetter- bzw. Temperaturverhältnissen) dem im öffentlichen Interesse gelegenen Ziel des Tierschutzes und zudem der Hintanhaltung von Gefahren dienen, die vom Einsatz übermüdeter oder geschwächter Pferde im Straßenverkehr ausgehen. Die Verhältnismäßigkeit der Regelung begründet der VfGH damit, dass die Nachteile, die Fiakerunternehmen durch die Beschränkungen erwachsen, weniger schwer wiegen als die dadurch erreichten Vorteile für die Gesundheit der zum Einsatz kommenden Tiere und für die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer.[147]
2. Deutschland
Die Autoren des umfangreichsten, 2023 in vierter Auflage erschienenen, Kommentars zum deutschen Tierschutzrecht[148] leiten aus der deutschen Rspr. u.a. ab, dass die Rechtfertigungsfähigkeit eines Eingriffs in geschützte Interessen von der Art der betroffenen Interessen abhängt: So kann ein Eingriff in „vitale Interessen“ von Tieren (z.B. Zufügen von Schmerzen, Leiden oder Schäden, Tötung) grds. nur zum Schutz vergleichbar schwerwiegender Interessen des Menschen, nicht hingegen zum Schutz „einfacher“, d.h. nicht-vitaler Interessen wie z.B. zur Erzielung eines höheren betrieblichen Gewinns, gerechtfertigt werden.[149] Aus der Anerkennung des Tieres als Mitgeschöpf folgt nach Hirt/Maisack/Moritz/Felde, dass die Zufügung von „Leiden zugunsten einer erhöhten Produktionsleistung (also aus ausschließlich oder hauptsächlich ökonomischen Gründen) (...) unzulässig [ist].“[150] Nicht zuletzt aufgrund des nachgewiesenermaßen human-analogen Schmerzempfindens von Wirbeltieren ist es geboten, den Nachteil der Zufügung von Schmerzen der bei Abwägung gegenüber Nutzungsinteressen entsprechend hoch zu gewichten.[151]
Was das Gefüge der Rechtsordnung betrifft, so ist bei einer Kollision mit Grundrechten zu beachten, dass es sich beim Tierschutz um einen „Belang von Verfassungsrang“ handelt.[152] In die Abwägung sind sämtliche Umstände des Einzelfalls einzubeziehen: Ökonomische Gründe alleine sind zur Ausfüllung des Begriffs „vernünftiger Grund“ nicht geeignet, da sie eine einseitige und damit mangelhafte Interessenabwägung implizieren und sich die „Grundkonzeption des TierSchG als ein ethisch ausgerichteter Tierschutz im Sinne einer Mitverantwortung des Menschen für das seiner Obhut anheimgegebene Lebewesen (...) bei Anlegung eines allein ökonomischen Maßstabs (...) aus den Angeln heben [ließe].“[153]
VI. Typische Interessenkonflikte – Fallbeispiele aus Bereichen der Haltung von Heim-, Nutz- und Versuchstieren
Der folgende Abschnitt beleuchtet typische Interessenkonflikte zwischen Ökonomie und Tierschutz in den Bereichen der Haltung bzw. Nutzung von Heim-, Nutz-[154] und Versuchstieren sowie die zu diesen Fallgruppen ergangene Rspr.
1. Tötung als kostengünstige Alternative zu therapeutischen Maßnahmen oder zu Aufzucht und Haltung
a) Tötung statt Therapie
Die Tötung eines Tieres ist durch einen „vernünftigen Grund“ i.S.d. § 6 Abs. 1 TSchG gerechtfertigt, wenn sie aufgrund einer Rechtsnorm zulässig (z.B. Schlachtung, Tötung von Futtertieren, Jagd und Fischerei) oder geboten (Nottötung) ist; liegt eine solche Rechtsnorm nicht vor, so ist der „vernünftige Grund“ im Einzelfall durch eine gesamthafte und umfassende Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern bzw. Interessen zu beurteilen.[155] Ökonomische Gründe (wie Arbeits-, Zeit- und Kostenersparnis oder das Streben nach Gewinnmaximierung) sind für sich allein nicht geeignet, die Anforderungen an das Vorliegen eines „vernünftigen Grundes“ i.S.d. § 6 Abs. 1 TSchG zu erfüllen.[156] Gerechtfertigt ist die Tötung dann, wenn die Therapie eines kranken oder verletzten Tieres aus veterinärmedizinischer Sicht entweder als nicht erfolgversprechend bzw. als unmöglich beurteilt wird oder dem Tierhalter (insbesondere aus Kostengründen) nicht zumutbar ist.[157] Es wurde vorgeschlagen, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit auf die „Maßfigur“ der schadenersatzrechtlichen Regelung des § 1332a ABGB zurückzugreifen;[158] Behandlungskosten sind einem Tierhalter daher jedenfalls bis zu jener Höhe zumutbar, die auch ein „verständiger“, d.h. ein mit den Werten des TSchG verbundener Tierhalter unter den Umständen des konkreten Einzelfalls für die Behandlung aufwenden würde.[159] Als zumutbar werden jedenfalls all jene medizinischen Maßnahmen gelten, mit deren Erforderlichkeit jeder Tierhalter rechnen muss (insbes. medizinische Routinemaßnahmen). Innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze ist auf Grund der Garantenstellung des Tierhalters von einer Behandlungspflicht auszugehen.[160]
Diese Auffassung wurde mittlerweile vom OGH bestätigt: Im Hinblick auf ein nicht mehr reitbares Freizeitpferd, das euthanasiert werden sollte, um frustrierte Aufwendungen (Einstellkosten etc.) zu vermeiden, entschied das Höchstgericht, dass eine „Erkrankung oder Verletzung (...) die Tötung eines Heimtieres[161] dann [rechtfertigt], wenn der Zustand des Tieres mit Schmerzen oder Leiden verbunden ist und eine Therapie nach fachkundigem Urteil entweder nicht erfolgversprechend scheint oder unmöglich oder dem Tierhalter (insbesondere aus Kostengründen) nicht zumutbar ist. Dabei ist auf die Wertungen des § 1332a ABGB zurückzugreifen (...).“ Nach § 1332a ABGB gebühren im Fall der Verletzung eines Tieres die tatsächlich aufgewendeten Kosten der (versuchten) Heilung auch dann, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte. „Ob die Maßfigur des verständigen Tierhalters (...) bestimmte tatsächlich aufgewendete Heilungskosten auf sich genommen hätte oder nicht, kann erst dann beurteilt werden, wenn der Gesundheitszustand des Pferds zum Zeitpunkt der Behandlung, die Behandlungskosten, die Indikation für die konkrete Behandlung und deren angestrebter Erfolg feststehen. Davon wird auch die Beurteilung abhängen, ob eine Tötung des Tiers nach § 6 TSchG – ausgehend von dessen Gesundheitszustand im Zeitpunkt der jeweiligen medizinischen Maßnahme – zulässig wäre. Dass eine Euthanasie des Pferdes, das lediglich lahmt und nicht mehr geritten werden kann, nur deshalb zulässig wäre, weil das Auflaufen zukünftiger Behandlungskosten unbekannter Höhe möglich ist, kann nicht angenommen werden.“[162] Durch ein Erkenntnis des niederösterreichischen LVwG wurde bestätigt, dass der Halter (eines Hundes) eine Euthanasie keinesfalls ohne veterinärfachliche Abklärung anordnen darf, um Kosten (für eine Diagnose und allfällige Therapie) zu sparen.[163]
Jenseits der Zumutbarkeitsgrenze werden im Regelfall kosten- und zeitaufwändige Therapien oder Hightech-Behandlungen[164] zu verorten sein, wobei im Rahmen der Abwägung auch die mit der Behandlung verbundene Belastung für den Patienten sowie dessen voraussichtlich erreichbare Lebensqualität nach dem Eingriff zu berücksichtigen sind.
Fiskalpolitisch nachvollziehbar, jedoch in Anbetracht der Behandlungspflicht des Tierhalters sachlich nicht gerechtfertigt erscheint die Auffassung des VwGH, wonach Kosten für die tierärztliche Behandlung eines freiwillig angeschafften „Freizeithundes“ keine außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 34 EStG 1988 darstellen, weil sie nicht zwangsläufig erwachsen sind.[165]
Wie bereits erwähnt gilt die in § 15 TSchG verankerte Behandlungspflicht des Tierhalters auch für kranke oder verletzte Nutztiere, doch ist als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit therapeutischer Maßnahmen ein verständiger, mit den Werten des TSchG verbundener Nutztierhalter heranzuziehen.[166]
Erscheint eine Therapie aussichtslos oder unzumutbar und wird das Nutztier trotz erheblicher Schmerzen oder Leiden aus ökonomischen Gründen (z.B. Verstreichen der Wartezeit) nicht zeitnahe getötet, so werden ihm durch Unterlassung der aus Tierschutzgründen unverzüglich gebotenen Tötung ungerechtfertigte Belastungen zugefügt.[167]
Die voraussetzungslose Tötung von Hunden, die Beißunfälle verursacht haben oder in solche verwickelt waren, stellt ein Sonderproblem dar. Da Hyperaggression bei Hunden durch Schmerzen bzw. organische oder psychische Erkrankungen (Verhaltensstörungen) ausgelöst werden kann, ist bei (vermeintlich) gefährlichen Hunden zunächst die Ursache der Aggression zu klären und im Rahmen der Zumutbarkeit medizinisch oder verhaltenstherapeutisch zu behandeln.[168] In diesem Sinne stellt aggressives Verhalten eines zuvor unauffälligen Hundes auch nach der Rspr. grds. keine Rechtfertigung für dessen (unmittelbare) Euthanasie dar; vielmehr ist zuerst die Ursache abzuklären, um das Tier (verhaltens-)medizinisch zu therapieren oder aber seine Abgabe zu erwägen.[169]
b) Tötung statt Aufzucht und Haltung
Tiere, die nicht erwünscht oder für den ihnen zugedachten Zweck ungeeignet sind, werden häufig als „überzählige Tiere“ bezeichnet. Wenngleich eine euphemistische Umbenennung am Schicksal dieser Tiere nichts ändern würde, ist der Kritik an dieser despektierlichen Rhetorik zuzustimmen, da sie – in diametralem Widerspruch zum Individualtierschutz – nicht nur Minderwertigkeit und mangelnde Schutzwürdigkeit der betroffenen Tiere impliziert, sondern wohl auch den Blick auf eine objektive Beurteilung der Rechtfertigung des Umgangs mit ihnen verstellt.[170] Die gegenständliche Problematik tritt insbes. in der Zucht von landwirtschaftlichen Nutztieren sowie von Zoo- und (genetisch veränderten) Versuchstieren auf, die durch Vorratszucht bzw. -haltung kurzfristig verfügbar sein sollen.
Bei landwirtschaftlichen Nutztieren handelt es sich – wie bereits eingangs erwähnt – um Tiere, die ex lege u.a. zur Gewinnung tierischer Erzeugnisse (z.B. Nahrungsmittel, Wolle, Häute, Felle, Leder) vorgesehen sind;[171] sie unterliegen damit einer Zweckwidmung, die ihre Tötung in vielen Fällen voraussetzt. Zwar wird der vernünftige Grund für die zweckgerichtete, d.h. der Gewinnung tierischer Produkte dienende Tötung von Nutztieren vom Gesetzgeber fingiert und ist somit auf rechtlicher Ebene einer Interessenabwägung entzogen, doch wird in der jüngeren Entwicklung des Tierschutzrechts zunehmend hinterfragt, ob dies auch dann gilt, wenn die Tötung nicht zur Nahrungsmittelgewinnung dient, sondern den Zweck verfolgt, sich unerwünschter Tiere zu entledigen, für die unter den herrschenden Produktionsbedingungen keine Verwendung besteht. Hierbei ist in erster Linie an die routinemäßige Tötung und Entsorgung männlicher Eintagsküken von sog. Einnutzungsrassen zu denken, deren Aufzucht und Verwertung unrentabel ist.[172]
Hirt/Maisack/Moritz/Felde leiten aus Art. 20a GG und aus dem Konzept der Mitgeschöpflichkeit eine allgemeine Verpflichtung zur Achtung des Eigenwerts von Tieren ab,[173] der z.B. dann missachtet wird, wenn Tiere – wie etwa Eintagsküken – aus rein ökonomischen Gründen getötet und entsorgt werden; diese Praxis stellt eine Instrumentalisierung dar, die jegliche Rücksichtnahme auf die tierlichen Interessen bzw. Bedürfnisse vermissen lässt.[174]
Grundsätzlich ist der Gesetzgeber gehalten, dem (empirisch nachgewiesenen) gesellschaftlichen Wertewandel Rechnung zu tragen.[175] Hirt/Maisack/Moritz/Felde ziehen neben der Einführung des Staatsziels Tierschutz die herrschenden Wertvorstellungen der Gesellschaft heran, um zu begründen, dass die Praxis des Tötens von Küken, die nicht auf rentable Weise in den Produktionsprozess eingegliedert werden können und daher aus wirtschaftlicher Sicht überzählig sind, nicht mehr auf einem vernünftigen Grund beruht. Im „Leipziger Küken-Urteil“ hat das BVerwG festgestellt, dass das Interesse am Schutz der Küken ausgehend von den Wertungen des Tierschutzgesetzes zu gewichten ist und den männlichen Küken aus Legelinien durch ihre frühestmögliche Tötung jeder Eigenwert abgesprochen wird; weiter wird festgehalten, dass „(...) eine derartige Verfahrensweise (…) in fundamentaler Weise dem ethisch ausgerichteten, das Leben als solchen einschließendem Tierschutz, wie er dem Tierschutzgesetz zugrunde liegt, widerspricht]“.[176] Im Anschluss an dieses Urteil vertreten die eben zitierten Kommentatoren die Auffassung, dass bei „(...) Abwägung der gegenläufigen Belange (...) die Belange des Tierschutzes schwerer (wiegen) als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe an der Vermeidung von Folgekosten für die Aufzucht von männlichen Küken aus Legehennenlinien.“[177]
Zootiere: Im Hinblick auf die Tötung von Zootieren hat die deutsche Rspr. im Zusammenhang mit der Tötung hybrider Tigerwelpen festgestellt, dass der Umstand, dass die Tiere zum Einsatz im Zuchtprogramm eines Zoos ungeeignet sind, nicht geeignet ist, ihre Tötung (und Verfütterung) zu rechtfertigen.[178] Dennoch hat der Nürnberger Tiergarten kürzlich angekündigt, Paviane zu töten, da die dort gehaltene Gruppe zu groß und inhomogen geworden sei.[179] Hier wäre zunächst zu prüfen, weshalb es unterlassen wurde, im Vorfeld tierschutzkonforme Maßnahmen zur Bestandskontrolle zu ergreifen und ob Haltung sowie Management der Paviangruppe dem Stand des Wissens entsprochen haben. Eine Rechtfertigung der Tötung einzelner Tiere könnte zudem allenfalls unter der Voraussetzung angenommen werden, dass zuvor alle zumutbaren Mittel zur tierschutzkonformen Unterbringung der Tiere nachweislich ausgeschöpft wurden.
Versuchstiere: Bei der Herstellung neuer Stämme bzw. Linien genetisch veränderter Versuchstiere weisen nur etwa 15 % der Nachkommen den für die Durchführung der jeweiligen Tierversuche erforderlichen Genotyp auf.[180] RL 2010/63/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Anzahl der zu Versuchen gezüchteten, jedoch nicht verwendeten zu erfassen und der Kommission in einem jedes 5. Jahr vorzulegenden Bericht zu melden;[181] diese Berichtspflicht bedeutet, dass die Tötung der Tiere nach dem Unionsrecht grds. zulässig ist. Auch nach dem österreichischen Tierversuchsrecht muss für die Tötung von (überzähligen) Versuchstieren kein Rechtfertigungsgrund vorliegen. Nach dem deutschen TierSchG hingegen setzt die Zulässigkeit der Tötung überzähliger Versuchstiere die Bejahung eines „vernünftigen Grundes“ voraus, was naturgemäß kontroversiell diskutiert wird: Der Forderung nach einer Verpflichtung zur Aufzucht und tierschutzkonformen Haltung der nicht zur Verwendung geeigneten Versuchstiere wird entgegengehalten, dass dies die Kapazitäten der Forschungseinrichtungen in kürzester Zeit sprengen und die biomedizinische Forschung zum Erliegen bringen würde.[182] Dem wird wohl zurecht entgegnet, dass mögliche Alternativen zur Tötung überzähliger Versuchstiere stets nur im Einzelfall, d.h. in Bezug auf eine konkrete Forschungseinrichtung, beurteilt werden können.[183] Die pauschale Verneinung der Möglichkeit alternativer Vorgehensweisen aus ausschließlich wirtschaftlichen Gründen würde nämlich bedeuten, dass die Interessen des (Versuchs-)Tierschutzes vollkommen außeracht gelassen werden. Die Rechtfertigung der Tötung überzähliger Versuchstiere durch einen „vernünftigen Grund“ kommt somit nur als ultima ratio in Frage und setzt voraus, dass alle Möglichkeiten zur Minimierung überzähliger Nachkommen durch eine sorgfältige Zuchtplanung und die zu Gebote stehenden Alternativen (insbes. Kryokonservierung) ausgeschöpft wurden und aufgrund einer ernsthaften Prüfung dargelegt werden kann, dass einer bestimmten Einrichtung eine Alternative zur Tötung der überzähligen Tiere (z.B. Verwendung zu anderen Versuchen, weitere Haltung, Vermittlung in private Obhut) nicht zumutbar ist. Allerdings wurde in diesem Zusammenhang bislang nicht hinterfragt, ob der weiteren Haltung überzähliger Tiere in einer Forschungseinrichtung ihrer tierschutzkonformen Tötung aus der Sicht des Tierschutzes, d.h. unter dem Aspekt der Minimierung bzw. Vermeidung unnötiger Belastungen, tatsächlich der Vorzug einzuräumen ist, da die im Tierversuchsrecht festgelegten speziesspezifischen Mindestanforderungen keineswegs die artgerechte Haltung der Tiere gewährleisten.[184]
Gelangt man zur begründeten Auffassung, dass die Tötung überzähliger Versuchstiere in einer bestimmten Einrichtung gerechtfertigt ist, so muss – ungeachtet des Kostenaufwandes – die für die jeweilige Tierart schonendste Tötungsmethode zur Anwendung gelangen.[185] Weiters ist es geboten, Tiere, die getötet werden müssen, nach Möglichkeit einer Verwertung zuzuführen (z.B. als Futtertiere in Zoos) und die hierfür erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.[186] Schließlich ist die Erforschung von Methoden zur Verringerung der Zucht ungeeigneter Individuen voranzutreiben.[187]
2. Kostenminimierung im Rahmen der Haltung und Nutzung von Tieren
a) Kostenminimierung im Rahmen der Tierhaltung
In erwerbswirtschaftlichen Tierhaltungen kann die Einsparung von Kosten für die Unterbringung und Betreuung der Tiere bewusst zur Erhöhung der Einkünfte und zur Maximierung des Gewinns eingesetzt werden, wobei die Einhaltung der Mindestanforderungen einschließlich der oben dargestellten Sonderbestimmungen (z.B. „Toleranzgrenze“, Übergangsfristen) die Grenze des zulässigen Einsparungspotentials markieren.
Was die deutsche Rechtslage betrifft, so wird die Auffassung vertreten, dass eine Kostenminimierung nur insoweit rechtfertigungsfähig ist, als dem Tiernutzer andernfalls die wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen wäre, wobei dies grds. nur dann der Fall wäre, wenn die Berufswahlfreiheit betroffen ist.[188] Im Zusammenhang mit einem Zoofachhändler wird in der deutsche Rspr. die Auffassung vertreten, dass der Einwand, behördliche Auflagen könnten aus raumtechnischen, zeitlichen und kommerziellen Gründen nicht erfüllt werden, auch dann unbeachtlich sind, wenn dies zur Schließung des Teilbetriebes einer Zoofachhandlung führen würde.[189]
Im Zusammenhang mit Kosten für die Haltung (Unterbringung und Betreuung) von Versuchstieren ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den „3R“ – und damit auch beim Prinzip des Refinements der Haltung – nicht nur um ethische Grundsätze, sondern um Rechtspflichten handelt, sodass entsprechende Aufwendungen für die Anreicherung der Haltungsumgebung (non-animate-Enrichment) und die Betreuung der Tiere (animate-Enrichment wie z.B. Habituierung, Training) getätigt werden müssen, wobei im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit bzw. Zumutbarkeit der Aufwendungen für die Ausstattung der Tierunterkünfte und die Personalkosten zu berücksichtigen ist, dass die durch fachgerechte Enrichment-Strategien bewirkte Stressreduktion bei den Versuchstieren die Qualität der Forschungsergebnisse erhöht und somit letztlich auch der Gesellschaft zugutekommt.[190] Eine einfache, aber zeit- und damit auch kostenintensive Handlings-Technik für Mäuse ist das Tunnel- und Cup Handling, bei dem die Tiere durch Betreten eines becherförmigen Gefäßes oder einer Röhre statt am Schwanz hochgehoben werden. Obwohl der stressreduzierende Effekt dieser Methode durch zahlreiche Untersuchungen belegt wurde,[191] ist der Fachliteratur zu entnehmen, dass tierschutzwidrige bzw. zumindest aversive Handlings-Methoden (wie etwa das „tail lifting“ und der Rücken- bzw. Sattelgriff zum Hochheben von Mäusen und Ratten) nach wie vor angewandt und auch weiterhin gelehrt werden.[192]
Auch private Tierhalter sind – zumal in Krisenzeiten – versucht oder gezwungen, Kosten für die von ihnen gehaltenen Tiere einzusparen, wobei es auch hier nicht zulässig ist, die Mindestanforderungen aus Kostengründen zu unterschreiten. Kann sich ein Halter die Kosten für eine den Mindestanforderungen entsprechender Versorgung nicht (mehr) leisten oder ist er nicht bereit die erforderlichen Aufwendungen weiterhin zu tätigen, so ist er gem. § 12 Abs. 2 TSchG verpflichtet, das Tier bzw. die Tiere pfleglich unterzubringen, d.h. an Personen oder Institutionen abzugeben, die eine tierschutzrechtskonforme Haltung gewährleisten. Allerdings ist dazu anzumerken, dass Tierheime nicht zur Aufnahme von Abgabetieren verpflichtet sind. Unabhängig davon, ob ein Tierhalter die Kosten für die Herstellung und Aufrechterhaltung rechtskonforme Haltungsbedingungen nicht bestreiten kann oder nicht tätigen möchte, ist nach den einschlägigen tierschutzrechtlichen Bestimmungen vorzugehen, wenn den Tieren tierschutzrelevante Belastungen zugefügt werden oder ihr Wohlbefinden beeinträchtigt wird.[193]
b) Kostenminimierung im Zusammenhang mit der Wahl von Methoden
Nicht nur die Beschaffenheit der Haltungsbedingungen, sondern auch die Wahl von Methoden, z.B. zur Durchführung von Eingriffen und zur Tötung von Tieren, werden – sowohl auf legistischer als auch auf praktischer Ebene – maßgeblich durch ökonomische Interessen beeinflusst. Im Zusammenhang mit Eingriffen an landwirtschaftlichen Nutztieren wird den Stellenwert, den der Verordnungsgeber ökonomischen Interessen zumisst, besonders deutlich: Generell zeigen die Ausnahmen von der Betäubungspflicht und vom Tierärztevorbehalt, dass gerade in diesem Bereich Kostenüberlegungen dominieren. Ein besonders deutliches Beispiel ist die Kastration männlicher Ferkel, die – trotz erheblicher Schmerzhaftigkeit – bis zum 7. Lebenstag lediglich mit Analgesie (Schmerzbehandlung), jedoch ohne Anästhesie (perioperative Schmerzausschaltung) erfolgen darf. Dass auch der Verordnungsgeber das Erfordernis einer Betäubung (an-)erkennt und die ratio legis ausschließlich in der Vermeidung von Tierarztkosten besteht, zeigt sich darin, dass eine Betäubungspflicht ab jenem Zeitpunkt vorgesehen ist, ab dem ein geeignetes, in Österreich zugelassenes Injektions-Arzneimittel verfügbar ist, das an Tierhalter abgegeben werden darf.[194]
Die deutsche Rspr. vertritt – was die Wahl von Methoden zur Durchführung von Eingriffen an Nutztieren und die Anwendung von Alternativmethoden zum Tierversuch betrifft – die Auffassung, dass das Zufügen tierschutzrelevanter Belastungen (Schmerzen, Leiden oder Schäden) durch Zeit- und/oder Kostenersparnis rechtswidrig ist, wenn eine schonendere, aber kosten- bzw. arbeitsintensivere Handlungsalternative besteht; die Wahl eines belastenderen, aber billigeren oder weniger aufwändigen Mittels ist unzulässig, „weil für einen vernünftigen Grund i.d.R. rein wirtschaftliche Erwägungen oder das Ziel, Kosten, Arbeit und Zeit einzusparen, nicht ausreichen.“[195]
Ein weiteres Beispiel betrifft die kostengünstige Methode der CO2-Exposition, mit der Versuchstiere getötet und Schweine vor der Schlachtung betäubt werden dürfen, obwohl wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass diese Methode äußerst belastend ist. Gem. § 7 a Abs. 2 Z 4 deutsches TierSchG dürfen Versuchstieren „Schmerzen, Leiden oder Schäden (...) nur in dem Maße zugefügt werden, als es für den verfolgten Zweck unerlässlich ist; insbesondere dürfen sie nicht aus Gründen der Arbeits-, Zeit- oder Kostenersparnis zugefügt werden; diese Bestimmung verpflichtet die Forschenden sowohl zur Anwendung kostenintensiverer, aber tierschonenderer Methoden (Versuchsrefinement) als auch zur Anwendung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden, die möglicherweise kostspieliger sind als die Verwendung lebender Tiere. [196] Auch wenn eine vergleichbare Bestimmung im TVG 2012 fehlt, resultieren diese Verpflichtungen insbes. aus der Zielbestimmung und den leitenden Grundsätzen des TVG 2012;[197] zudem kann aus keiner tierversuchsrechtlichen Bestimmung abgeleitet werden, dass bei der Entscheidung über Maßnahmen des Refinements oder den Einsatz alternativer und komplementärer Methoden wirtschaftliche Interessen zu berücksichtigen sind oder gar eine entscheidende Rolle spielen dürfen.
Da Anhang IV zu RL 2010/63/EU („Methoden zur Tötung von Tieren“) die Vergasung von Versuchstieren mittels CO2 – von wenigen Ausnahmen abgesehen[198] – als Methode zur Tötung von Nagetieren (und Vögeln) zulässt, richten sich die Einwände gegen das Primat ökonomischer Interessen bereits gegen technische Detailregelungen im supranationalen Tierversuchsrecht, die weder mit Art. 13 AEUV noch mit den grundsätzlichen Anforderungen, welche die RL an die Tötung von Tieren stellt,[199] in Einklang zu bringen sind.
VII. Résumé
1. Matrix zur Veranschaulichung der verhältnismäßigen Berücksichtigung gegenläufiger Interessen
Vor dem Hintergrund der bislang aus den Rechtsgrundlagen und der Rspr. abgeleiteten Grundsätze soll nun ein Prüfschema entwickelt werden, welches den Prozess der Abwägung gegenläufiger Interessen veranschaulicht und Behörden sowie Gerichte, aber auch den Gesetzgeber dabei unterstützen kann, die Verhältnismäßigkeit von Verpflichtungen im Kontext der Haltung und Nutzung von Tieren umfassend, transparent und nachvollziehbar zu beurteilen. Da es sich bei den kollidierenden Interessen „Tierschutz“ einerseits und „Ökonomie“ andererseits um inkommensurable Güter handelt, fehlt eine „gemeinsame Währung“ zu ihrer Verrechnung; dieses „Defizit“ muss durch eine argumentative Bewertung der Rechtsgüter ausgeglichen werden. Von einem Urteil über die Verhältnismäßigkeit darf folglich auch keine mathematische Genauigkeit erwartet werden, sondern vielmehr eine argumentative Einordnung der Stärke der Berücksichtigung der Güter, die ins Verhältnis gesetzt werden. Die vorgeschlagene Matrix kann das Spannungsfeld, in dem sich der Entscheidungsprozess vollzieht, strukturiert abbilden, dieses aber freilich nicht auflösen. Um die Verhältnismäßigkeit einer Entscheidung nachvollziehbar zu machen, ist die Argumentation von essenzieller Bedeutung. Entscheidungsträger sind daher gehalten, das Ergebnis von Güterabwägungen möglichst ausführlich zu begründen.
Wie bereits dargelegt, setzt die Bejahung der Verhältnismäßigkeit i.e.S. voraus, dass alle betroffenen rechtlich geschützten Interessen in einer ihrem Stellenwert angemessenen Gewichtung in die Güterabwägung einfließen. Bleibt eines der Rechtsgüter gänzlich unberücksichtigt oder wird es im Abwägungsprozess vernachlässigt, so kann keine verhältnismäßige Entscheidung generiert werden.
Abb. 1 veranschaulicht, dass im Zusammenhang mit der Güterabwägung zwei Parameter maßgeblich sind, (1) die den widerstrebenden Interessen zugewiesene Relation (x:y) und (2) die dem Einzelinteresse zuerkannte Wertigkeit ( 0–3).
Unter dem Aspekt der Relation zwischen den konfligierenden Interessen können zunächst folgende Konstellationen unterschieden werden: Zwischen den Positionen der gänzlichen Außerachtlassung eines betroffenen Interesses bzw. beider betroffenen Interessen einerseits (grau) und der verhältnismäßigen Berücksichtigung beider Interessen andererseits (grün) ist zwischen (a) grob unverhältnismäßigen (rot) und (b) mehr oder weniger unverhältnismäßigen (orange bzw. blau) Entscheidungen zu differenzieren. Bleibt mindestens ein Interesse gänzlich unberücksichtigt (grau: 0:x / x:0), so liegt keine Güterabwägung vor und die Entscheidung ist per se mangelhaft. Im idealtypischen Fall werden beide Interessen vollumfänglich berücksichtigt (grün: 3:3), was im Regelfall kaum zu erreichen sein wird bzw. – etwa durch die Verankerung flankierender Maßnahmen wie z.B. eines Rechtsanspruchs auf ausreichend hohe zielgerichtete Subventionen – einer Aufhebung des Interessenkonflikts gleichkäme.
Da neben der Relation zwischen den konfligierenden Interessen auch der Wertigkeit der Einzelinteressen maßgeblich Bedeutung zukommt, erweist sich auch die formal verhältnismäßige Berücksichtigung beider Interessen als problematisch, wenn diese nur in geringem Ausmaß (grün: 1:1) in die Entscheidung einfließen; in diesem Fall ist nämlich davon auszugehen, dass der Wesenskern bzw. Wesensgehalt der betroffenen Grundrechte bzw. Staatszielbestimmungen tangiert und möglicherweise auch verletzt wird.
Werden zwar alle betroffenen Interessen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt, fließen sie aber in unterschiedlichem Ausmaß in das Ergebnis ein, so wird ein Rechtsgut vernachlässigt, was zu einem mehr oder weniger unverhältnismäßigen Ergebnis führt. Je nach dem Grad der Vernachlässigung kann zwischen grober Unverhältnismäßigkeit (rot: 1:3 bzw. 3:1, Differenz = 2) und (einfacher) Unverhältnismäßigkeit (orange: 2:1 bzw. 1:2 sowie blau: 3:2 bzw. 2:3, Differenz = 1) unterschieden werden.
Bei grober Unverhältnismäßigkeit (rot) wird eines der verfassungsrechtlich geschützten Interessen ungebührlich vernachlässigt und darüber hinaus so gering bewertet, dass von einer Verletzung des Wesensgehalts des betroffenen Grundrechts bzw. des Kernbereichs des Staatszieles und damit von der Verfassungswidrigkeit des jeweiligen Rechtsaktes auszugehen ist.
Einfach unverhältnismäßige Abwägungsentscheidungen umfassen zwei Subkategorien (orange und blau), die sich durch den Grad der Interessenberücksichtigung unterscheiden: Zwar wird in beiden Fällen einem der Rechtsgüter höheres Gewicht zuerkannt, doch ist beiden Subkategorien gemeinsam, dass die Relation der Ungleichgewichtung konstant ist (Differenz = 1; vgl. Abb. 2).
Die potenzielle Verfassungswidrigkeit derartiger Entscheidungen muss im Einzelfall beurteilt werden, wobei eine Güterabwägung im Verhältnis 1:2 bzw. 2:1 (orange) an der Grenze zur groben Unverhältnismäßigkeit angesiedelt ist, da jeweils ein rechtlich geschütztes Interesse vernachlässigt wird und die diesem Interesse zuerkannte Wertigkeit zudem derart gering ist, dass eine Verletzung des Wesenskerns bzw. -gehalts naheliegt.
Die zweite Kategorie unverhältnismäßiger Entscheidungen (blau) nähert sich trotz Ungleichgewichtung der Rechtsgüter insofern der Verhältnismäßigkeit an, als beide Interessen in höherem Ausmaß Berücksichtigung finden, sodass es naheliegt, dass der Wesenskern bzw. Wesensgehalt des verfassungsrechtlich geschützten Interesses gewahrt wird.
Von einer (formal) verhältnismäßigen Entscheidung kann schließlich nur dann ausgegangen werden, wenn die betroffenen Interessen gleichermaßen Berücksichtigung finden (grün: 1:1, 2:2 bzw. 3:3). Auf die Problematik einer geringgradigen Berücksichtigung beider Interessen (1:1) wurde bereits hingewiesen.
Die Anwendung der Matrix kann beispielhaft an der unterschiedlichen Ausgestaltung der Regelung der „Ferkelkastration“, d.h. an den Vorschriften über die Anforderungen an die chirurgische Kastration männlicher Ferkel bis zum 7. Lebenstag, in der österreichischen Gesetzgebung veranschaulicht werden, da in der Entwicklung dieser Bestimmung die verschiedenen Ausprägungen der Unverhältnismäßigkeit unterschieden werden können: Während die Ferkelkastration nach der StF der 1. ThV ohne jegliche Schmerzausschaltung (Anästhesie) und Schmerzbehandlung (Analgesie) zulässig war[200] (Stufe 1), wurde durch die Novelle BGBl. II Nr. 521/2017 angeordnet, dass der Eingriff nur „durch eine sachkundige Person mit wirksamer Schmerzbehandlung, welche auch postoperativ wirkt“[201], durchgeführt werden darf (Stufe 2). Nach der geltenden Rechtlage[202] (Stufe 3) ist dieser Eingriff so lange ohne perioperative Schmerzausschaltung zulässig, bis ein Injektions-Anästhetikum zugelassen wird, welches auch an andere Personen als an Tierärzte abgegeben werden darf. Erst nach diesem Zeitpunkt, dessen Eintreten völlig ungewiss ist und der auch aus arzneimittelrechtlicher Sicht bedenklich erscheint, dürfen auch männliche Ferkel, die weniger als 7 Tage alt sind, nur noch unter perioperativer Betäubung und postoperativer Schmerzausschaltung kastriert werden, sofern der zuständige Bundesminister dies durch Kundmachung anordnet. Durch diese Regelung gibt der der Verordnungsgeber zu erkennen, dass er selbst die betäubungslose Kastration als tierschutzwidrig beurteilt und derzeit ausschließlich aus ökonomischen Gründen (Einsparung der Tierarztkosten) von einer Betäubungspflicht absieht.
Da die Interessen des Tierschutzes in der StF der 1. ThV unberücksichtigt blieben, ist davon auszugehen, dass die Regelung der Stufe 1 unter gänzlicher Vernachlässigung eines betroffenen Interesses zustande gekommen ist. Bei der Nachfolgeregelung (Stufe 2) wurden die Interessen des Tierschutzes zwar berücksichtigt, doch ist das Ergebnis als grob unverhältnismäßig zu bezeichnen (Tierschutz:Ökonomie = 1:3), da die Anwendung eines Schmerzmittels bei der chirurgischen Kastration ungeeignet ist, die erheblichen akuten Schmerzen wirksam zu lindern. Schließlich sind auch für die Ausgestaltung der geltenden Regelung (Stufe 3) vorrangig ökonomische Interessen maßgeblich: Da der Verordnungsgeber die Interessen des Tierschutzes zwar anerkannt, ihre angemessene Berücksichtigung jedoch aus ökonomischen Gründen auf unbestimmte Zeit verschiebt und sich in der Praxis für die Tiere keine Änderung im Vergleich zur Vorgängerregelung ergibt, ist weiterhin von einer Gewichtung der Interessen im Verhältnis 1:3 auszugehen.[203] Erst die Umsetzung einer ausnahmslosen Verpflichtung zur Anwendung einer zur wirksamen Schmerzausschaltung geeigneten Narkose durch einen Tierarzt oder die Verpflichtung, Ferkel durch zweimalige Impfung zu kastrieren würde eine verstärkte Berücksichtigung der Tierschutzinteressen im Verhältnis 2:3 bewirken.
Aufgrund der auch mit diesem Procedere verbundenen Belastung der Ferkel (Handling, Einleitung der Narkose, Narkoserisiko, Erholungsphase etc.) sowie in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Alternativen wäre jedoch auch in diesem Fall weiterhin von einer unverhältnismäßigen Berücksichtigung der tierlichen Interessen auszugehen. Von einer vollumfänglichen Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Tierschutzes könnte wohl erst dann ausgegangen werden, wenn die chirurgische Kastration männlicher Ferkel verboten würde und die Mast intakter Eber praktiziert werden müsste.
Abschließend sei angemerkt, dass die Bewertung ökonomischer Interessen in der Praxis auf der Grundlage transparenter und der Kostenwahrheit verpflichteter Kalkulationen unabhängiger Experten erfolgen müsste.
VIII. Zusammenfassung
Ökonomische Interessen und das Anliegen des Tierschutzes stehen in einem vielschichtigen Spannungsverhältnis; dies gilt vor allem für gewinnorientierte, durchaus aber auch für private Tierhaltungen. Da ökonomische Interessen durch wirtschaftsbezogene Grundrechte geschützt sind und der Tierschutz als Staatsziel anerkannt ist, stellt sich – sowohl auf legistischer Ebene als auch im Rahmen der Rechtsprechung – die Frage, ob und inwieweit einerseits wirtschaftliche Interessen den Tierschutz bzw. andererseits Tierschutzinteressen ökonomische Interessen einschränken können. Die Beurteilung dieser Frage hat durch eine Güter- bzw. Interessenabwägung zu erfolgen, deren Ergebnis der Anforderung der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen hat. Ein zulässiger Eingriff in wirtschaftsbezogene Grundrechte bzw. in das verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgut „Tierschutz“ setzt voraus, dass dieser verhältnismäßig ist, d.h. dass alle betroffenen Interessen angemessen berücksichtigt werden.
Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Komplexität der Abwägung zwischen den konfligierenden Interessen des Tierschutzes und der Ökonomie am Beispiel des österreichischen und deutschen Tierschutzrechts sowie anhand ausgewählter Beispiele aus der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur.
Der unbestimmte Rechtsbegriff „vernünftiger Grund“ fungiert im deutschen TierSchG generell, im österreichischen TSchG hingegen nur im Kontext der Tötung von Tieren als Rechtfertigungsgrund für (ökonomisch motivierte) Einschränkungen von Tierschutzinteressen. Zwar gelten wirtschaftliche Motive im allgemeinen als „vernünftig“ (i.S.v. rational), doch reicht dies nach überwiegender Auffassung zum deutschen TierSchG nicht aus, um einen „vernünftigen Grund“ i.S.d. TierSchG zu bejahen.[204] Wirtschaftliche Interessen sind auch nicht schon deshalb vernünftig im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG, weil sie ökonomisch plausibel sind; sie müssen vielmehr – wie jedes schutzwürdige menschliche Interesse beim Umgang mit Tieren – an den Belangen des Tierschutzes gemessen werden und sind gegebenenfalls Begrenzungen unterworfen.[205]
Das österreichische TSchG enthält im Unterschied zu seinem deutschen Pendant mehrere Bestimmungen, welche die angemessene Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen bereits auf der Ebene der Erlassung von Verordnungen sicherstellen; im Rahmen der Beurteilung der Verfassungskonformität von Tierschutzbestimmungen, die in wirtschaftsbezogene Grundrechte eingreifen, ist daher zu berücksichtigen, dass ökonomische Interessen bereits auf legistischer Ebene in die tierschutzrechtlichen Schutzstandards eingeflossen sind. Weiters sollten im Rahmen von Abwägungsprozessen steuerrechtliche Aspekte (wie die Absetzbarkeit von Aufwendungen für Tierschutzmaßnahmen als Betriebsausgaben) und flankierende Maßnahmen (wie Förderungen) explizit berücksichtigt werden. Schließlich wären – im Sinne der Kostenwahrheit – auch die durch Tierschutzmaßnahmen für den Tierhalter bzw. -nutzer generierten bzw. generierbaren Vorteile in den Abwägungsprozess einzubeziehen. Der Spielraum für die Berücksichtigung ökonomischer Interessen in der Rechtsanwendung ist daher umso kleiner, je stärker die ökonomischen Interessen bereits auf legistischer Ebene berücksichtigt wurden und je mehr flankierende Maßnahmen (z.B. Förderungen, steuerliche Absetzbarkeit) die Auswirkungen der Einschränkung der ökonomischen Interessen abfedern.
Die Grenze der Berücksichtigung ökonomischer Interessen ist jedenfalls dort anzunehmen, wo die Nutzung von Tieren zu ihrer vollständigen Instrumentalisierung führt. Diese ist dann gegeben, wenn Tiere genutzt werden, ohne ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen. Generell gilt, dass die Unverhältnismäßigkeit einer Abwägungsentscheidung umso eindeutiger feststeht, je mehr Grundbedürfnisse der Tiere zurückgedrängt werden, je stärker ein bestimmtes Grundbedürfnis zurückgedrängt wird bzw. je bedeutender die einzelnen zurückgedrängten Grundbedürfnisse sind.[206] Von einer Vernachlässigung der Interessen des Tierschutzes ist auch dann auszugehen, wenn der wirtschaftliche Wert eines Tieres im Fall seiner Erkrankung oder Verletzung für die Zumutbarkeit seiner Behandlung entscheidend wäre; die Zumutbarkeit von Behandlungskosten ist daher grds. nicht am Marktwert des Tieres auszurichten,[207] sondern am Anspruch, rechtlich festgelegten Tierschutzanforderungen gerecht zu werden.
Abwägungsentscheidungen dürfen sich nicht auf allgemeine bzw. abstrakte Überlegungen beschränken, sondern müssen auf die Betroffenheit der im konkreten Fall kollidierenden Güter eingehen[208] und der kumulativen Berücksichtigung von Interessen Rechnung tragen. Ein „äußerst problematisches Instrument“[209] ist die Interessenabwägung dann, wenn sie sich in formelhaften Formulierungen erschöpft; versucht sie hingegen, tatsächlich einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen, so handelt es sich vermutlich um die einzige Möglichkeit der Entscheidungsfindung, die den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht werden kann. Da – wie eingangs erwähnt – eine gemeinsame „Währung“ zur „Verrechnung“ der zur Diskussion stehenden Güter fehlt, kommt der Argumentation zentrale Bedeutung zu. Die aktuelle Entwicklung deutet darauf hin, dass der vielfach konstatierte gesellschaftliche Wertewandel zugunsten des Tierschutzes[210] und das Staatsziel Tierschutz zunehmend Eingang in die Rechtsprechung finden.
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heute v. 28.2.2023, 600 € Kosten pro Hund! Tierheim stöhnt unter Kosten https://www.heute.at/s/600-kosten-pro-hund-tierheim-stoehnt-unter-kosten-100257629 (Abfrage: 2.7.2023)
IAHAIO (2007): Tokyo Declaration https://iahaio.org/tokyo-declaration/ (Abfrage: 2.7.2023)
Krone online v. 13.5.2023, Leere Futternäpfe. Unsere Haustiere werden zum unleistbaren Luxusgut. https://www.krone.at/3004394 (Abfrage: 2.7.2023)
oe24 v. 16.8.2022, Energiekosten: Abgabeschwemme überlastet Tierheime https://www.oe24.at/tierschutz/energiekosten-abgabeschwemme-ueberlastet-tierheime/527541742 (Abfrage: 2.7.2023)
OTS 0007 (2022): Medizinische Sensation –1. Cyberkatze Österreichs Kater Pauli bekommt zwei neue Hinterbeine aus dem 3D-Drucker. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221201_OTS0007/medizinische-sensation-1-cyberkatze-oesterreichs-bild (Abfrage: 3.7.2023)
Parlamentskorrespondenz Nr. 984 v. 15.12.2003.
https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2003/pk0984 (Abfrage: 17.9.2023)
National Centre for the Replacement, Refinement and Reduction of Animals in Research (NC3Rs, 2023): Mouse handling research papers. https://www.nc3rs.org.uk/sites/default/files/2023-08/Mouse%20handling%20research%20papers%20table.pdf (Abfrage: 2.7.2023)
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SPIEGEL Panorama v. 20.9.2022, Unhaltbare Zustände in Schweineställen: „Diese Tiere, das können Sie sich nicht vorstellen, die zerfleischen sich“
https://www.spiegel.de/panorama/tierschutz-wie-schweine-in-deutschen-staellen-leiden-ein-verantwortlicher-bauer-spricht-a-eb92d393-49ed-450d-b3ea-3928d95a7f75 (Abfrage: 16.9.2023)
Der Standard v. 14.12.2022, Skandal bei Geflügelmast: Wie viel wiegt das AMA-Gütesiegel? https://www.derstandard.at/story/2000141772697/skandal-rund-um-gefluegelmast-wie-viel-wiegt-das-ama-guetesiegel (Abfrage: 16.9.2023)
Der Standard v. 8.2.2024, Nürnberger Tiergarten will Paviane für Artenschutz töten https://www.derstandard.at/story/3000000206690/nuernberger-tiergarten-will-paviane-fuer-Artenschutz-toeten (Abfrage: 14.2.2024)
Tierschutzrat (TSR): AVN 9/2006 v 16. 10. 2006
Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes (171 d.B.),
https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XX/I/171#tab-Uebersicht?selectedStage=100 (Abfrage: 17.9.2023)
XI. Rechtsgrundlagen
Europäische Union
Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 364/1 v. 18.12.2000.
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. C 326, 26.10.2012, 47–390.
RL 2007/43/EG des Rates v. 28. Juni 2007 mit Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern, ABl. L 182, 12.7.2007, 19–28.
RL 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere. ABl. L 276, 20.10.2010, 33–79.
Durchführungsbeschluss (EU) 2020/569 der Kommission v. 16. April 2020 zur Festlegung eines gemeinsamen Formats für die Vorlage der von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere zu meldenden Informationen und deren Inhalt sowie zur Aufhebung des Durchführungsbeschlusses 2012/707/EU der Kommission, ABl. L 129, 24.4.2020, 16–50.
Empfehlung der Kommission vom 18. Juni 2007 mit Leitlinien für die Unterbringung und Pflege von Tieren, die für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, ABl. L 197, 30.7.2007, 1–89.
VO (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (VO über tierische Nebenprodukte), ABl. L 300, 14.11.2009, 1–33.
Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates v. 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung. ABl. L 303, 18.11.2009, 1–30
Österreich
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, JGS Nr. 946/1811 i.d.F. BGBl. I Nr. 38/2023.
BVG über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl. I Nr. 111/2013 v. 11.7.2013 i.d.F. BGBl. I Nr. 82/2019 v. 31.7.2019.Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder. RGBl Nr. 142/1867 v. 22.12.1867 i.d.F. BGBl. Nr. 684/1988 v. 20.10.1988.
BG über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004, Art. 2, v. 28.9.2004, i.d.F. BGBl. I Nr. 130/2022 v. 28.7.2022.
BG über Versuche an lebenden Tieren (Tierversuchsgesetz 2012 – TVG 2012), BGBl. I Nr. 114/2012 v. 28.12.2012, Art. 1, i.d.F. BGBl. I Nr. 76/2020 v. 24.7.2020.
BG betreffend Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und Materialien (TiermaterialienG – TMG), BGBl. I Nr. 141/2003 v. 30.12.2003 i.d.F. BGBl. I Nr. BGBl. I Nr. 37/2018 v. 14.6.2018.
BG über die Zahl, den Wirkungsbereich und die Einrichtung der Bundesministerien (BundesministerienG 1986 – BMG), BGBl. Nr. 76/1986 (WV) v. 20.2.1986 i.d.F. BGBl. I Nr. 98/2022 v. 17.7.2022.
BG über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (EinkommensteuerG 1988 – EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 v. 29.7.1988 i.d.F. BGBl. I Nr. 31/2023 v. 21.7.2023.
V über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung), BGBl. Nr. II 485/2004 v. 17.12.2004 i.d.F. BGBl. II Nr. 296/2022 v. 27.7.2022.
V über die Haltung von Wirbeltieren, die nicht unter die 1. Tierhaltungsverordnung fallen, über Wildtiere, die besondere Anforderungen an die Haltung stellen und über Wildtierarten, deren Haltung aus Gründen des Tierschutzes verboten ist (2. Tierhaltungsverordnung), BGBl. II Nr. 486/2004 v. 17.12.2004 i.d.F. BGBl. Nr. 341/2018 v. 18.12.2018.
V zur Durchführung des Tierversuchsgesetzes 2012 (Tierversuchs-Verordnung 2012 – TVV 2012), BGBl. II Nr. 522/2012 v. 28.12.2012 i.d.F. BGBl. II Nr. 542/2020 v. 4.12.2020.
V zur Anwendung der Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration. BGBl. II 438/2023 v. 31.12.2023.
G über den Betrieb von Fiakerunternehmen und mit Pferden betriebenen Mietwagenunternehmen (Wiener Fiaker- und Pferdemietwagengesetz), LGBl. Nr. 57/2000 v. 19.10.2000 i.d.F. LGBl. Nr. 34/2016 v. 19.7.2016.
Deutschland
Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 20 des Gesetzes vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S 2752) geändert worden ist
XII. Abkürzungen
AB Ausschussbericht
ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
ABl Amtsblatt der EU
AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AtD Amtstierärztlicher Dienst
AVN Amtliche Veterinärnachrichten
BG Bundesgesetz, -e, -es
BGB Bürgerliches Gesetzbuch (D)
BlgNR Beilage(-n) zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates
BVerfGE Entscheidungen der amtlichen Sammlung des [deutschen] Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE)
BVG
Nachhaltigkeit BundesverfassungsG über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung
D Deutschland
dt deutsch, -e, -es
EGMR Europäischer Gerichtshof für Menscherechte
EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EMRK Europäische) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
ErwG Erwägungsgrund, -gründe
EStG EinkommensteuerG (Ö)
GG Grundgesetz (D)
ggf gegebenenfalls
GD Generaldirektion
GP Gesetzgebungsperiode
GRC Charta der Grundrechte der EU
i.d.F. in der Fassung
i.d.g.F. in der geltenden Fassung
i.e.S. im engeren Sinn
i.S.d. im Sinne der, - des
i.V.m. in Verbindung mit
JRP Journal für Rechtspolitik
LVwG Landesverwaltungsgericht (Ö)
Mat Materialien
m.w.N. mit weiteren Nachweisen
nö niederösterreichische, -es, -er
Ö Österreich
Rn. Randnummer
Rz. Randziffer
SCAHW Scientific Committee on Animal Health and Animal Welfare
StF Stammfassung
StGB Strafgesetzbuch (Ö)
StGG Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (Ö)
ThV TierhaltungsV (Ö)
TierSchG TierschutzG (D)
TSchG TierschutzG (Ö)
TVG 2012 TierversuchsG 2012 (Ö)
V Verordnung, -en (national)
VA Volksanwaltschaft (Ö)
VfGH Verfasssungsgerichtshof (Ö)
VG Verwaltungsgericht (D)
VwGH Verwaltungsgerichtshof (Ö)
VfSlg Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des VfGH (Ö)
Wr. Wiener
ZPEMRK 1. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention
[1] Vgl. z.B. Cirsovius, Rechtfertigen wirtschaftliche Motive Verstöße gegen das Tierschutzgesetz? NuR 39 (2017) 665–670; Martinez, Paradigmenwechsel in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung von betrieblicher Leistungsfähigkeit zu einer tierwohlorientierten Haltung, RW (2016) 441–467.
[2] § 4 Z 6 TSchG.
[3] Martinez, Paradigmenwechsel (2016) 453f. unter Hinweis auf § 90 BGB.
[4] BVerfGE 101, 1 (138).
[5] BVerfGE 101, 1 (124).
[6] In diesem Sinne statuiert die IAHAIO 2007 Tokyo Declaration „It is a universal, natural and basic human right to benefit from the presence of animals“, betont jedoch gleichzeitig, dass auch den Bedürfnissen der Tiere Rechnung getragen werden soll.
[7] Vgl. § 12 Abs. 1 TSchG, wonach zur Haltung von Tieren jeder berechtigt ist, der zur Einhaltung der Bestimmungen des TSchG und der darauf gegründeten V in der Lage ist, insbes. auch über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt und gegen den kein aufrechtes Tierhaltungsverbot gem. § 39 Abs. 1 TSchG besteht.
[8] Vgl. Focus online v. 22.11.2022; Krone online v. 13.5.2023.
[9] Vgl. oe24 v. 16.8.202; heute v. 28.2.2023.
[10] Vgl. Abschnitt IV/3.
[11] Vgl. dazu ausführlich Berka, Die Grundrechte. Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich 19992, 153f. Rz. 262.
[12] Berka, Die Grundrechte (19992), 155 Rz. 264.
[13] Leisner, Der Abwägungsstaat. Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit? (1997) 171.
[14] Leisner, Der Abwägungsstaat (1997) 226f.
[15] Hattenberger, Der Umweltschutz als Staatsaufgabe. Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes (1993) 164.
[16] Vgl. Oreschnik, Verhältnismäßigkeit und Kontrolldichte. Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundrechten und Grundfreiheiten (2018) 24, 97f.
[17] Vgl. z.B. VfGH v. 9.3.2011 GZ G60/10; V80/10, mit dem der VfGH die Einstufung der Hunderasse American Staffordshire Terrier als hundeführscheinpflichtig als nicht gesetzwidrig beurteilt hat, da die Intention der bekämpften Regelung (V der Wr. LR über die Festlegung von hundeführscheinpflichtigen Hunden, LGBl. Nr. 33/2010) sicherstellen soll, dass die Haltung von Tieren in einer Weise erfolgt, dass Menschen nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt und fremde Sachen nicht beschädigt werden; die Abstufung der persönlichen Anforderungen an einen Tierhalter nach dem Gefährdungspotenzial der gehaltenen Hunde ist nicht gleichheitswidrig, sondern fällt in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Analog dazu VfGH v. 6.10.2011, GZ G24/11 zur Leinen- und Maulkorbpflicht für „Listenhunde“ nach dem NÖ HundehalteG, LGBl. Nr. 11/2010.
[18] Oreschnik, Verhältnismäßigkeit und Kontrolldichte (2018) 102 m.w.N.
[19] VfSlg 12094/1989.
[20] BVerfGE 30, 292 (316); Oreschnik, Verhältnismäßigkeit und Kontrolldichte (2018) 103; Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG mit TierSchHundeV, TierSchNutztV, TierSchVersV, TierSchTrV, EU-Tiertransport-VO, Tier-SchlV, EU-Tierschlacht-VO, TierErzHaVerbG (20234); Maisack, Zum Begriff des vernünftigen Grundes im Tierschutzrecht (2007).
[21] BVerfGE 83, 1 (18); Oreschnik, Verhältnismäßigkeit und Kontrolldichte (2018) 104.
[22] BVerfGE 30, 292 (316); Oreschnik, Verhältnismäßigkeit und Kontrolldichte (2018) 105 m.w.N.
[23] BVerfGE 105, 17 (36); Oreschnik, Verhältnismäßigkeit und Kontrolldichte (2018) 106.
[24] VfSlg 19687/2912.
[25] Streinz, Europarecht (202312) 300f. Rz. 703.
[26] TierSchG v. 24.7.1972, neugefasst durch Bek v. 18.5.2006 I 1206, 1313; zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 20 G v. 20.12.2022 I 2752.
[27] 20a GG v. 1.8.2002.
[28] OVG Lüneburg, BeckRS 2021, 457 (Rn. 18); Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 165.
[29] Vgl. unten, Abschnitt V. 2; hier werden u. a. genannt: BVerwG DVBl 2000, 1061; OVG Münster, NJW 2013, 802 (804); BVerwG NVwZ 2019, 1617 (1617f.); OVG Münster NuR 2012, 796; BayOLG NuR 1994, 511 (512); OLG Frankfurt NStZ 1985, 130.
[30] Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte. ABl. C 340 v. 10.11.1997, 1–144.
[31] Caspar, Zur Stellung des Tieres im Gemeinschaftsrecht (2001) 72.
[32] Caspar, Zur Stellung des Tieres im Gemeinschaftsrecht (2001) 74.
[33] Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, CIG 14/07 v. 3. 12. 2007.
[34] Art. 13 AEUV wurde um die Politikbereiche Fischerei, technologische Entwicklung sowie Raumfahrt erweitert und um den Passus Tiere „als fühlende Lebewesen“ ergänzt.
[35] Calliess, Art. 13 AEUV [Tierschutz; Querschnittsklausel], in Calliess/Ruffert (Hrsg.): EUV – AEUV. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta (2022a6) 543 Rz. 1.
[36] Vormals Art. 174 EGV.
[37] So auch Callies, Titel XX. Umwelt, in Calliess/Ruffert (Hrsg.): EUV – AEUV. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta (2022b6) 1860 Rz. 11.
[38] Calliess, Art. 13 AEUV, in Calliess/Ruffert (Hrsg.): EUV – AEUV (2022a6) 544 Rz. 7.
[39] Calliess, Art. 13 AEUV, in Calliess/Ruffert (Hrsg.): EUV – AEUV (2022a6) 545 Rz. 10.
[40] Art. 13, 2. Halbsatz AEUV.
[41] Calliess, Art. 13 AEUV, in Calliess/Ruffert (Hrsg.): EUV – AEUV (2022a6) 545 Rz. 9 m.w.N.
[42] Vormals Art. 30 EGV.
[43] Diskriminierungsverbot gem. Art. 18 AEUV (vormals Art. 12 EGV).
[44] Kingreen, Kapitel 3. Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV – AEUV. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta (20226) 748 Rz. 208 m.w.N.
[45] Stellungnahme der Republik Österreich zum Mahnschreiben der Kommission vom 12. Oktober 2005 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/4150 betreffend die Vereinbarkeit des Verbots der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen mit der Dienstleistungsfreiheit, GZ BKA-VV.05/4510/0002-V/A/8/2005. Vgl. zur Bestätigung der Verfassungskonformität des gegenständlichen Verbots VfGH 1.12.2011, G74/11; V63/11.
[46] Vgl. Fn. 40.
[47] Beschluss der Europäischen Kommission vom 12. Dezember 2006, mit dem das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/4510 betreffend das Wildtierhaltungsverbot in Zirkussen (§ 27 Abs. 1 TSchG) eingestellt wurde.
[48] § 2 BVG Nachhaltigkeit. Die verfassungsrechtliche Verankerung des Tierschutzes war zuvor bereits durch das Tierschutz-Volksbegehren 1996 („Ein Recht für Tiere“) sowie im Rahmen des Österreich-Konvents 2003 gefordert worden; vgl. Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes (171 d.B.) bzw. Parlamentskorrespondenz Nr. 984 v. 15.12.2003.
[49] Pöschl, Gleichheitsrecht, in Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa. Bd. VII/1: Grundrechte in Österreich (2009) 529f.
[50] Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht, Bd. 1: Grundlagen (20203) 129 Rz. 10.016 bzw. 133 Rz. 10.022.
[51] Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht (202213); Berka, Die Grundrechte (19992) Rz. 1044ff.
[52] BVG über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 1984/491 v. 10.12.1984.
[53] VfSlg 10.791/1984.
[54] Pernthaler, „Sozialstaat“ als Grundsatz der Bundesverfassung? JRP 2 (2002) 83.
[55] Art. 139f. B-VG; Art. 144 Abs. 1, 2. Fall B-VG.
[56] Binder, Das österreichische Tierschutzrecht (20194) 16.
[57] Zum österr. Recht vgl. VfSlg 13.102, VfGH v. 17.6.1992; zum dt. Recht vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 73 Rz. 8.
[58] Art. 11 Abs. 1 Z 8 B-VG, BGBl. 2004/118, Art. 1.
[59] Vgl. Gesetzesmaterialien zu § 2 BVG Nachhaltigkeit (2316/A XXIV. GP – Initiativantrag), 3 sowie Budischowsky, Das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit (2015) 18 Anm. I/1. –- Zum Verhältnis der beiden Rechtsgüter „Leben“ und „Wohlbefinden“ vgl. Abschnitt III/2/b).
[60] Budischowsky, Staatsziel Tierschutz, RdU 5 (2013) 192f.
[61] Vgl. Fn 52.
[62] Wenn in der österr. Lehre die Auffassung vertreten wird, dass unklar sei, ob man die zum Staatsziel Umweltschutz vertretenen Grundsätze „unreflektiert (...) auf § 2 BVG Nachhaltigkeit übertragen kann, (...) weil (...) Umweltzerstörungen existenzbedrohende Ausmaße annehmen können, während der Tierschutz keine existenziellen menschlichen Interessen betrifft“ (Budischowsky, Staatsziel Tierschutz RdU 5 (2013) 193), so ist dem entgegenzuhalten, dass zahlreiche Untersuchungen belegen, dass die Einschränkung der Fleischproduktion – und damit der Schutz von Tieren vor nutzungsbedingten Belastungen – dem Klimaschutz, der Verteilungsgerechtigkeit sowie der Volksgesundheit zugutekäme und damit einen entscheidenden Beitrag zu Lösung globaler und gesellschaftlicher Krisen leisten könnte; vgl. dazu z.B. Rault/Binder/Grimm, Rethink farm animal production (2022); Binder, Tierschutzrecht (20194) m.w.N. Auch das interdisziplinäre «One Health-Konzept» verdeutlicht die Schicksalsgemeinschaft zwischen Mensch und Tier, indem es u.a. die vielschichtigen Zusammenhänge und komplexen Wechselwirkungen zwischen Umweltbedingungen, Tierschutz und Tiergesundheit sowie Lebensbedingungen und Gesundheit des Menschen veranschaulicht (vgl. z.B. Monath/Kahn/Kaplan, Introduction: One Health Perspective, ILAR Journal 51 (2010), 193.
[63] Weber, Die Konkretisierung verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen am Beispiel jener über den umfassenden Umweltschutz (1995) 716.
[64] Sander/Schlatter, Das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit (2014) 249. In D hat auch die Rspr. ein Rückschrittsverbot aus Art. 20a GG abgeleitet (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde (20234) 118 Rz. 21).
[65] VfSlg 9995/1984.
[66] So hätte etwa die geänderte Rspr. des EuGH (vgl. Urteil vom 17.12.2020, C–336/19) im Hinblick auf das Schächten Vereinbarkeit reversibler Betäubungsmethoden mit der Religionsfreiheit) zur Folge, dass die einschlägigen nationalen Bestimmungen einer Revision zu unterziehen wären; vgl. Binder, Das „Tierschutzpaket 2022“ – Eine Mogelpackung. Zur Novellierung des Tierschutzgesetzes und der 1. Tierhaltungsverordnung, TiRuP (2022) 141 Fn. 95.
[67] § 5 BVG Nachhaltigkeit.
[68] § 6 BVG Nachhaltigkeit.
[69] So im Hinblick auf § 6 BVG Nachhaltigkeit Budischowsky, Das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit (2015) 40, Anm. I.
[70] Vgl. Abschnitt IV/2.c).
[71] Budischowsky, Das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit (2015) 37f. Rz. II.1; Sander/Schlatter, Das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit (2014) 253.
[72] So wird in Untersuchungen zur aktuellen Situation und gesellschaftlichen Akzeptanz der Nutztierhaltung darauf hingewiesen, dass das «(…) Wohlergehen von Tieren (…) ein wichtiger Aspekt sowohl der Nachhaltigkeit als auch der Produktqualität [ist]» (Europäisches Parlament, GD Interne Politikbereiche, Das Wohlergehen von Tieren in der Europäischen Union. Studie (2017), 7); vgl. weiters Breuer/Martin/Wierig/Saggau, Europäische Tierhaltung im Wandel. Eine Metaanalyse zu Einflussfaktoren auf die Entwicklungen des Sektors. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn (2019); Mora/Rodríguez/Yáñez/García, Research & Innovation Analysis Report of SCAR (Standing Committee on Agricultural Research) (2023).
[73] So jedoch Budischowsky, Das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit (2015) 38f. Anm. II.6.
[74] Vgl. § 2 TSchG.
[75] Der Standard v. 14.12.2022.
[76] SPIEGEL Panorama v. 20.9.2022.
[77] Binder, Tierschutzrecht (20194) 14.
[78] Irresberger/Obenaus/Eberhard, Tierschutzgesetz. Kommentar (2005) 9; Binder, Tierschutzrecht (20194) 13f.; Herbrüggen/Wessely (20203) 38f.
[79] Irresberger/Obenaus/Eberhard, Tierschutzgesetz (2005) 9; verfehlt ist es allerdings, diese Ausrichtung des TSchG als „ethischen Tierschutz“ zu bezeichnen, da daraus folgen würde, dass das Konzept des anthropozentrischen, d.h. von menschlichen Interessen hergeleiteten Tierschutzes, „unethisch“ wäre, obwohl es lediglich einem anderen Ethikkonzept verpflichtet ist.
[80] Gesetzesmaterialien StF TSchG 446 BlgNR. 22. GP 2; vgl. z.B. VfGH 17. 12. 1998, B 3028/97; 12. 7. 2005, G 73/05; 18.6. 2007, G220/06; 1. 12. 2011, G 74/11, V 63/11-10; 26.9.2017, G347/2016.
[81] Binder, Tierschutzrecht (20194) 13 m.w.N.
[82] Vgl. Abschnitt III/2.a).
[83] Z.B. Schlachtrecht, Jagd- und Fischereirecht.
[84] Z.B. Rechtfertigung einer Euthanasie unter Berücksichtigung des klinischen Zustands, der Prognose und des Behandlungsaufwands.
[85] Zum Begriff „Wohlbefinden“ vgl. z.B. Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz. Kommentar (20197) 43 Rz. 9f. m.w.N.
[86] Vgl. zum Konzept von „positive welfare“ z.B. Rault/Hintze/Camerlink/Yee, Positive Welfare and the Like: Distinct Views and a Proposed Framework, Frontiers in Veterinary Science (2020).
[87] Binder, Ethik- und Tierschutzkonzepte sowie Wertungswidersprüche in der Tierschutzgesetzgebung, in Binder, Beiträge zu aktuellen Fragen des Tierschutz- und Tierversuchsrechts (2010a) 14.
[88] Vgl. z.B. § 6 Abs. 4 Z 3 u § 37 Abs. 1 TSchG („Nottötung“, d.h. Tötung zur Beendigung nicht behebbarer Qualen) sowie §§ 26 Abs. 3 u. 27 Abs. 6 TSchG (Tötung von Zoo- bzw. Zirkustieren als ultima ratio-Alternative zur tierschutzkonformen Unterbringung.
[89] Man denke z.B. an die Tötung von Tieren zur Gewinnung von Nahrungsmitteln.
[90] Cirsovius Rechtfertigen wirtschaftliche Motive Verstöße gegen das Tierschutzgesetz? NuR 39 (2017) 666.
[91] Vgl. oben, Abschnitt III/1.a).
[92] Die vollumfängliche Sicherstellung des Wohlbefindens hätte nicht nur die Vermeidung jeglicher durch den Menschen verursachter Belastungen, sondern darüber hinaus Vorkehrungen zur Förderung positiver Empfindungen der Tiere zur Voraussetzung.
[93] RL 2007/43/EG des Rates vom 28. Juni 2007 mit Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern, ABl L 182, 12.7.2007, 19–28.
[94] Scientific Committee on Animal Health and Animal Welfare (SCAHW) (2000) 110.
[95] Vgl. dazu Binder, Die neue Tierversuchs-Richtlinie – Anspruch, Realität und Perspektiven (Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere vom 22. September 2010) in ALTEXethik (2010b) 18.
[96] In den ErwG zu VO (EG) Nr. 1099/2009 wird immerhin darauf hingewiesen, dass ein Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), welches die schrittweise Einstellung des Einsatzes von Kohlendioxid bei Schweinen (und den Einsatz der Wasserbadbetäubung bei Geflügel) empfiehlt, nur deshalb nicht in die geltende VO eingearbeitet wurde, weil „die Folgenabschätzung ergeben hat, dass solch eine Empfehlung derzeit in der EU aus wirtschaftlicher Sicht nicht tragbar ist.“
[97] § 354 ABGB; vgl. dazu auch § 362 ABGB, wonach der Eigentümer seine Sache in der Regel „nach Willkür benützt oder unbenützt lassen (...), sie vertilgen, ganz oder zum Teile auf andere übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen [kann].“ Zur zivilrechtlichen Sonderstellung von Tieren vgl. § 285a ABGB.
[98] Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Bd. 3: Grundrechte (20193) 189 Rz. 42.234.
[99] Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (20193) 134 Rz. 8/7.
[100] Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (20193) 136 Rz. 8/10; Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Bd. 3 (20193) 187 Rz. 42.232 m.w.N.; Berka, Die Grundrechte (19992) 402 Rz. 711.
[101] Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (20193) 137 Rz. 8/11.
[102] Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Bd. 3 (20193) 189 Rz. 42.234.
[103] Calliess, Art. 17 GRCh – Eigentumsrecht, in Calliess/Ruffert (Hrsg.): EUV – AEUV. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta (2022c6) 2773 Rz. 28.
[104] Calliess, Art. 17 GRCh, in Calliess/Ruffert (Hrsg.): EUV – AEUV (2022c6) 2773 Rz 29 m.w.N.
[105] Aufgrund des Diskriminierungsverbotes (Art. 18 AEUV) fallen auch alle EU-Bürger in den Schutzbereich des Grundrechts.
[106] Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (20193) 146 Rz. 10/2; Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Bd. 3 (20193) 194 Rz. 42.242.
[107] Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (20193) 148f. Rz. 10/4; Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Bd. 3 (20193) 195 Rz. 42.245.
[108] Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (20193) 149f Rz. 10/5 m.w.N.
[109] Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (20193) 150 Rz. 10/6 m.w.N.
[110] Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Bd. 3 (20193) 195 Rz. 42.245.
[111] Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Bd. 3 (20193) 195 Rz. 42.245 m.w.N.
[112] Vormals Art. 49 EGV.
[113] Kluth, Kapitel 3. Dienstleistungen, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV – AEUV. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta (20226) 959 Rz. 76; 962 Rz. 88ff.
[114] Vgl. Abschnitt V/1.
[115] Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (20193) 232 Rz. 20/4; Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Bd. 3 (20193) 176 Rz. 42.212.
[116] Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (20193) 236 Rz. 20/8.
[117] Adamovic/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht Bd. 3 (20193) 176 Rz. 42.212; Berka, Die Grundrechte (19992) 344 Rz. 592.
[118] Berka, Die Grundrechte (19992) 346 Rz. 595.
[119] Art. 52 Abs. 1, 2. Satz GRC.
[120] Ruffert, Art. 13 GRCh – Freiheit der Kunst und der Wissenschaft, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV – AEUV. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta (20226) 2748 Rz. 11.
[121] Zum dt. Recht u zur Kritik an der dadurch mitunter bewirkten Umgehung des Parlamentsvorbehalts vgl. Martinez, Paradigmenwechsel (2016) 460ff.
[122] Hierzu zählen neben den typischerweise landwirtschaftlich genutzten Tierarten (Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Kaninchen Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen) auch Equiden sowie Neuweltkameliden. Vgl. V über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung), BGBl. II Nr. 485/2004 v. 17.12.2004 i.d.F. BGBl. II Nr. 296/2022 v. 27.7.2022.
[123] D.h. Mindestanforderungen an die Haltung von Heimtieren und in menschlicher Obhut gehaltenen Wildtieren. Vgl. 2. Tierhaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 486/2004 v. 17.12.2004 i.d.F. BGBl. II Nr. 68/2016 v. 24.3.2016, Nr. 341/2018 v. 18.12.2018.
[124] Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (§ 48 Z 5 TSchG i.V.m. § 1 Z 12 BundesministerienG 1986 (BMG), BGBl. Nr. 76/1986 (WV) i.d.F. BGBl. I Nr. 98/2022.
[125] Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (§ 48 Z 5 lit. c) i.V.m. § 1 Z 11 BMG).
[126] Weder das deutsche noch das Schweizer Tierschutzgesetz normieren eine vergleichbare Verpflichtung.
[127] So erachtet es auch der deutsche Ethikrat als problematisch, dass die Zuständigkeit für die Vollziehung des TierSchG beim BMEL liegt (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) Einl. Rz. 23a). Allerdings ist hierzu anzumerken, dass auch die Übertragung der Hauptzuständigkeit an ein anderes Ressort die verstärkte Berücksichtigung der Tierschutzinteressen keineswegs garantiert, da auch im Fall der Zuständigkeit eines anderen Ressorts der Einfluss landwirtschaftlicher Interessenvertretungen durch die Besetzung von (Schlüssel-)Positionen mit Personen aus deren Umfeld sichergestellt werden kann.
[128] GZ VA-BD-GU/ 0037-A/1/2009 v. 27.9.2010.
[129] Zur Neuregelung der Haltung von Sauen im Kastenstand vgl. § 2 Abs. 5 der 2. ThV sowie Anl. 5 Pkt 3.3. der 1. ThV.
[130] Der Begriff „Tiergerechtheit“ in der Bezeichnung legt nahe, dass sich die Tätigkeit dieser Einrichtung auf Haltungsformen bezieht, die aus tierschutzfachlicher Sicht den tierlichen Bedürfnissen entspricht. Da sich die Aufgaben der Fachstelle jedoch auf Fragen im Zusammenhang mit der Einhaltung oder gar Unterschreitung tierschutzrechtlicher Mindestanforderungen beziehen, ist die Bezeichnung geeignet, unzutreffende Vorstellungen von ihrer Tätigkeit zu wecken.
[131] Vgl. AB 509 BlgNR, 22. GP, 9.
[132] Vgl. zur mittlerweile erfolgten Aufhebung dieser Übergangsfrist durch den VfGH unter IV/3.c).
[133] Vgl. Gesetzesmaterialien 291 BlgNR 23. GP 6 zu TSchG-Novelle BGBl. I 2008/35.
[134] AB 342 BlgNR 23. GP 3.
[135] Ciftci, Übergangsfristen bei Gesetzes- und Verordnungsänderungen. Eine Untersuchung zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben von Übergangsfristen anhand der deutschen Verfassungsrechtsprechung und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (2011).
[136] Vgl. z.B. VfGH G 89/2022 v. 28.9.2013.
[137] VfGH G 89/2022 v. 28.9.2013.
[138] Binder, Das „Tierschutzpaket 2022“ (2022) 135ff.
[139] VfGH G 193/2023-15, V 40/2023-15 v. 13.12.2023.
[140] Zu Beispielen für Übergangsfristen im Zusammenhang mit der Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere vgl. Binder, Das „Tierschutzpaket 2022“ (2022) 135f.
[141] Vgl. Fn 80.
[142] BGBl. I 118/2004 v. 28.9.2004.
[143] VfGH v. 7.12.2005, GZ G73/05.
[144] VfGH v. 1.12.2011, GZ G74/11, V63/11.
[145] VfGH v. 18.6.2007, GZ G220/06.
[146] Wr. Fiaker- und PferdemietwagenG, LGBl. Nr. 57/2000 i.d.g.F.
[147] VfGH v. 26.9.2017, GZ G347/2016.
[148] Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234); vgl. Besprechung Binder, Tierschutzgesetz: TierSchG mit TierSchHundeV, TierSchNutztV, TierSchVersV, TierSchTrV, EU-Tiertransport-VO, TierSchlV, EU-Tierschlacht-VO, TierErzHaVerbG. Von A. Hirt, Ch. Maisack, J. Moritz und B. Felde. 4. Auflage. Verlag Franz Vahlen, München 2023, in TiRuP (2023).
[149] BVerwG DVBl 2000, 1061; OVG Münster, NJW 2013, 802 (804); „das wirtschaftliche Interesse (…) für sich genommen (…) kein vernünftiger Grund“, BVerwG NVwZ 2019, 1617 (1617f.); OVG Münster NuR 2012, 796; BayOLG NuR 1994, 511 (512); Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 166.
[150] Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 170 Rz. 63.
[151] Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 165 Rz. 61.
[152] BVerfG ZUR 2011, Heft 4, 203 (205); Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 166.
[153] OLG Frankfurt NStZ 1985, 130; Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 167.
[154] Der Begriff „Nutztiere“ umfasst in diesem Abschnitt alle Tiere, die in erwerbswirtschaftlichen (landwirtschaftlichen oder gewerblichen) Tierhaltungen gehalten und somit zur Erzielung eines Einkommens genutzt werden.
[155] Binder, Tierschutzrecht (20194) 59; vgl. auch OGH 6Ob177/19a v 25.3.2020.
[156] Binder, Tierschutzrecht (20194) 60; vgl. auch NÖ LVwG-S-2312/001-2017 v. 29.11.2017 und OGH 6Ob177/19a v. 25.3.2020.
[157] Binder, Tierschutzrecht (2005) 69; Binder, Das Tierschutzrecht (20194) 60; OGH 6Ob177/19a v 25.3.2020.
[158] Binder, Der "vernünftige Grund" für die Tötung von Tieren, NuR 28 (2007) 811.
[159] Zur Maßfigur des „verständigen Tierhalters“ vgl. Reischauer in Rummel, ABGB (2001³) § 1332a Rz. 3.
[160] Binder, Tierschutzrecht (20194) 60f.; zur Rechtfertigung der Tötung von Tieren im Rahmen der tierärztlichen Kleintierpraxis vgl. die Stellungnahme des Tierschutzrates, in: AVN 9/2006 v. 16. 10. 2006 sowie ausführlich Binder, Euthanasie von Heimtieren: Das Tierschutzrecht zwischen Lebensschutz und Leidverkürzung (2018).
[161] Aus zivilrechtlicher Sicht zählen auch Reitpferde zu den Heimtieren (vgl. Hinteregger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 1332a ABGB Rz. 2 Fn. 3).
[162] OGH 6Ob177/19a v. 25.3.2020.
[163] NÖ LVwG-S-2312/001-2017 v. 20.11.2017.
[164] OTS0007, 1. Dez. 2022, Medizinische Sensation – 1. Cyberkatze Österreichs Kater Pauli bekommt zwei neue Hinterbeine aus dem 3D-Drucker.
[165] VwGH 2010/15/0191 v. 30.1.2014.
[166] Vgl. Binder, Die Nottötung als Instrument des Tierschutzes: Tierschutzrechtliche Aspekte der Nottötung von landwirtschaftlichen Nutztieren, Wien Tierarztl Monat 102 (2015) 203.
[167] Vgl. auch OGH 4. 11. 1981, 3 Ob 549/81 EvBl 1982/83, 297; vgl. weiterführend Binder, Die Nottötung als Instrument des Tierschutzes: Tierschutzrechtliche Aspekte der Nottötung von landwirtschaftlichen Nutztieren, Wien Tierärztl Monat 102 (2015a) 200ff.; Baumgartner/Binder, Nottötung von landwirtschaftlichen Nutztieren – Vorzeitige Beendigung von Schmerzen und Leiden aus Gründen des Tierschutzes, in: Wien Tierarztl Monat 102 (2015) 193ff.; Binder/Baumgartner, Die Nottötung von Nutztieren im landwirtschaftlichen Betrieb – Zwischenresümee. Wien Tierärztl Monat 102 (2015) 219ff.
[168] Binder, Der "vernünftige Grund" (2007) 812; Binder, Tierschutzrecht (20194) 62.
[169] NÖ LVwG-S-2312/001-2017 v. 20.11.2017.
[170] Arleth/Biller-Bomhardt, Der vernünftige Grund des Tierschutzgesetzes und die Tötung von Tieren in Zoos – ein unerkannter Widerspruch? NuR 43 (2021) 660.
[171] § 4 Z 6 TSchG.
[172] Zu dieser Problematik vgl. z.B. Binder, Stiere, Eber, Hahnenküken: Überblick über Tierschutzprobleme bei männlichen Nutztieren. 22. FREILAND-Tagung/28. IGN-Tagung: Für einen besseren Umgang mit (männlichen) Nutztieren. Wien, Veterinärmedizinische Universität Wien am 24.9.2015, Tagungsband (2015b) 6 ff. m.w.N.
[173] So auch Irresberger/Obenaus/Eberhard, Tierschutzgesetz (2005) 9.
[174] Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 73 Rz. 7.
[175] Martinez, Paradigmenwechsel (2016) 443.
[176] BVerwG, Urteil v. 13.6.2019 - 3 C 28.16, Rz. 25.
[177] Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 166 Rz. 62; BVerwG NVwZ 2019, 1617 Rz. 26.
[178] OLG Naumburg Beschl. v. 28.6.2011 - 2 Ss 82/11, Rechtsprechungsdatenbank Sachsen-Anhalt; Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 803f. Rz. 58f.; zur grundsätzlichen Rechtswidrigkeit der Tötung von in Zoos gehaltenen Tieren vgl. ausführlich Arleth/Biller-Bomhardt Der vernünftige Grund, NuR 43 (2021) 654ff.
[179] Der Standard v. 8.2.2024, Nürnberger Tiergarten will Paviane für Artenschutz töten.
[180] Chmielewska/Bert/Grune/Hensel/Schönfelder, Der „vernünftige Grund“ zur Tötung von überzähligen Tieren. Eine klassische Frage des Tierschutzrechts im Kontext der biomedizinischen Forschung, NuR 37 (2015) 677f.
[181] Durchführungsbeschluss (EU) 2020/569 der Kommission v. 16.4.2020, Anhang II, Abschnitt C Z 2.
[182] Chmielewska/Bert/Grune/Hensel/Schönfelder, Der „vernünftige Grund“, NuR 37 (2015) 680.
[183] Wagenknecht/Eusemamm/Schwedhelm/Schönfelder/Bert, Das Vorliegen eines „vernünftigen Grundes“ bei der Tötung überzähliger Versuchstiere, NuR 45 (2023) 232 f.
[184] Vgl. z.B. Binder/Chvala-Mannsberger, Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensqualität von (Labor-)Kaninchen durch Enrichment-Maßnahmen – ein Überblick, 15ff.
[185] Binder, Der "vernünftige Grund", NuR 29 (2007) 809; vgl. dazu auch Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 808, Rz. 61f., wonach die Rechtfertigung zur Tötung von „Vorratstieren“ u.a. dann entfällt, wenn bei der Züchtung vorausgesehen und in Kauf genommen wird, dass die Mehrzahl der Nachkommen ungenutzt oder wegen Erschöpfung der Haltungskapazität getötet werden muss, obwohl eine bedarfsgerechtere Züchtungspraxis möglich und zumutbar wäre („Verbot des widersprüchlichen Verhaltens“).
[186] Vgl. dazu die Bestimmungen des Tiermaterialienrechts (Art. 8 VO lit. a) iv (EG) 1069/2009, § 10 TiermaterialienG), wonach getötete Versuchstiere als Material der Kategorie 1 gelten, damit der Ablieferungspflicht unterliegen und von der Nutzung in Futtermitteln ausgeschlossen sind.
[187] Chmielewska/Bert/Grune/Hensel/Schönfelder, Der „vernünftige Grund“, NuR 37 (2015) 680.
[188] Cirsovius, Rechtfertigen wirtschaftliche Motive Verstöße gegen das Tierschutzgesetz? NuR 39 (2017) 667.
[189] VG Berlin AtD 1998 48(50); Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 167.
[190] Vgl. z.B. Prescott/Lidster, Improving quality of science through better animal welfare: the NC3Rs strategy, Nature America (2017) 153f.
[191] Vgl. Übersicht in National Centre for the Replacement, Refinement and Reduction of Animals in Research (NC3Rs, 2023): Mouse handling research papers.
[192] Vgl. Burn/Camacho/Hockenhull, Lifting laboratory rats: A survey of methods, handlers’ reasons and concerns, and rat behavioural responses, Appl Anim Behav Sci. 2023 (268) 10, sowie weitere Hinweise bei Hurst/West, Taming anxiety in laboratory mice (2010); Gouveia/Hurst, Improving the practicality of using non-aversive handling methods to reduce background stress and anxiety in laboratory mice (2019).
[193] So sind z.B. Halter von Katzen verpflichtet, Fenster und Balkone mit Schutzvorrichtungen zu versehen, wenn die Gefahr eines Absturzes besteht; wird – trotz mehrerer Fensterstürze einer Katze – keine Fenstersicherung angebracht, so ist davon auszugehen, dass dem Tier durch Unterlassung wiederholt ungerechtfertigte Belastungen zugefügt wurden, sodass die Behörde zur Abnahme des Tieres verpflichtet (§ 37 Abs. 2, 2. Fall TSchG) und ein Strafverfahren einzuleiten ist.
[194] 1. ThV, Anl. 5, 2.10, Pkt. 5; vgl. dazu auch unter VII/1.
[195] S. o., BVerwG DVBl 2000, 1061; OVG Münster, NJW 2013, 802 (804); BVerwG NVwZ 2019, 1617 (1617f.); OVG Münster NuR 2012, 796; BayOLG NuR 1994, 511 (512); Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) § 1 Rz. 60).
[196] Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) § 7a Rz. 19, 465.
[197] § 1 Abs. 3 bzw. § 6 TVG 2012.
[198] Diese beziehen sich auf Nagetierföten und neugeborene Nagetiere.
[199] Vgl. Art. 6 Abs. 1 RL 2010/63/EU.
[200] 1. ThV, Anl. 5, 2.10, Pkt. 4 i.d.F. BGBl. II Nr. 485/2004 v. 17.12.2004.
[201] 1. ThV, Anl. 5, Pkt. 2.10 Pkt. 4. lit a) i.d.F. BGBl. II Nr. 521/2017 v. 6.6.2017.
[202] 1. ThV, Anl. 5, 2.10, Pkt. 5 i.d.F. BGBl. II 151/2017 v. 6.6.2017.
[203] Die kürzlich erfolgte Regelung der Inhalationsnarkose durch eine sachkundige Hilfsperson der TGD-Betreuungstierärzte bei der Ferkelkastration gem. 1. ThV, Anl. 5, 2.10, Pkt 5 lit. b) (vgl. V des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Anwendung der Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration, BGBl. II 438/2023 v. 31.12.2023) bedeutet nicht, dass diese bei Durchführung des Eingriffs verpflichtend anzuwenden ist; vielmehr darf diese Methode nur dann zur Anwendung gelangen, wenn der Betrieb am Tiergesundheitsdienst teilnimmt (zu den einzelnen Voraussetzungen vgl. § 1 Abs. 2 der V zur Anwendung der Inhalationsnarkose bei der Ferkelkastration).
[204] Chmielewska/Bert/Grune/Hensel/Schönfelder, Der „vernünftige Grund“, NuR 37 (2015) 679.
[205] BVerwG BeckRS 2019, 20548, Rz. 18.
[206] Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) 214 Rz. 43.
[207] Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG (20234) § 17/73 bzw. 75.
[208] Ottensamer, Ausgewählte Aspekte des österreichischen Tierschutzgesetzes (2006) 221.
[209] Hütter, Das Problem der „Interessenabwägung“. Eine philosophische Reflexion, JPR (1999) 160.
[210] Vgl. zuletzt VfGH G 193/2023-15, V 40/2023-15 13.12.2023, 54, Rz. 56.
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