Ökonomie vs Tierschutz
Tierschutz im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Nutzenkalkül und Leistbarkeit
DOI:
https://doi.org/10.58590/leoh.2024.004Schlagwörter:
Rechtsgut Tierschutz, Staatszielbestimmung, ökonomische Interessen, wirtschaftsbezogene Grundrechte, Güterabwägung, VerhältnismäßigkeitAbstract
Ökonomische Interessen stehen in einem inhärenten Spannungsverhältnis zu den Interessen des Tierschutzes. Dieser Interessenkonflikt, der sich in Zeiten wirtschaftlicher Krisen zuspitzt, besteht vor allem, aber nicht nur, im Bereich der erwerbswirtschaftlichen Nutzung von Tieren, bei der es um die Erzielung von Einkünften und um Gewinnmaximierung geht. Der österreichische Gesetzgeber misst ökonomischen Interessen bereits auf einfachgesetzlicher Ebene (im Tierschutzgesetz) – z.B. im Zusammenhang mit der Festlegung von Mindestanforderungen an die Tierhaltung – besondere Bedeutung zu; abgesehen davon sind diese Interessen auch im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung, insbesondere im Verhältnis zu den Grundrechten, zu berücksichtigen und zum Ausgleich zu bringen, wobei eine Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Einzelnen einerseits und dem öffentlichen Interesse am Tierschutz andererseits vorzunehmen ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, die Interessen des Tierschutzes sowohl in der Gesetzgebung als auch im Rahmen der Rechtsanwendung umfassend und in einer seiner Bedeutung angemessenen Weise zu berücksichtigen, wobei bei der Gewichtung des Rechtsgutes „Tierschutz“ dessen Aufwertung im Unionsrecht und auf nationaler Ebene zu beachten ist. Eine angemessene Berücksichtigung der Interessen des Tierschutzes ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn der Tierschutz substanziell eingeschränkt bzw. in seinem Kernbereich verletzt wird. Die Grenze der Berücksichtigung ökonomischer Interessen ist jedenfalls dort anzunehmen, wo die Nutzung von Tieren zu deren Instrumentalisierung führt. Obwohl die Nutzung von Tieren zur Erzielung von Einkünften nicht nur zulässig, sondern auch durch Grundrechte geschützt ist, stellt sich im Hinblick auf den verfassungsrechtlich abgesicherten Auftrag zur Sicherung des Wohlbefindens der Tiere die Frage, wie weit sich ökonomische Interessen – z.B. an der Tötung von Tieren als kostengünstige Alternative zu deren Behandlung bzw. Aufzucht, an der Einsparung von Tierarztkosten oder an der Bemessung der Dauer von Übergangsfristen – zu Lasten des Tierschutzes auswirken dürfen. Im vorliegenden Beitrag wird zunächst aufgezeigt, welche Rolle der Gesetzgeber ökonomischen Interessen im Tierschutzgesetz zuerkennt und zu welchen Ergebnissen die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen zugunsten des Tierschutzes gelangt. Sodann werden ausgewählte Interessenkonflikte auf dem Gebiet der Haltung und Nutzung von landwirtschaftlichen Nutztieren, Heim- und Versuchstieren dargestellt und der Versuch unternommen, Prozess und Ergebnis der Interessenabwägung mit Hilfe einer Matrix zu veranschaulichen.
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